43 Jahre hat es gedauert, bis dieses prachtvolle Hamburger Rathaus im Stil der Neorenaissance in der Altstadt endlich seiner Bestimmung übergeben werden konnte.

Frühe Vögel fangen Würmer – unser zweiter Tag in Hamburg war der Alt- und Innenstadt Hamburgs vorbehalten. Wie sehr sich diese Besichtungstour ausdehnen würde, ahnten wir zum Zeitpunkt als wir früh am Morgen bei unserem Hotel nahe der Reeperbahn in die S-Bahn einstiegen noch nicht. Manchmal denke ich, ist auch besser so. Wir lassen uns gerne bei unseren vorher festgelegten Touren weitertreiben, und entdecken auch so das eine oder andere Schätzchen.

Ratzfatz waren wir an unserem Ziel – dem Jungfernstieg an der Binnenalter, von wo aus unsere Tour startet. Von dort ist es nicht zu übersehen – das Hamburger Rathaus, unser erstes Ziel. Und da beginnt auch schon mein ‚Problem‘ als ich meinen Blogbericht über unsere Innenbesichtigung des Rathauses geschrieben habe. Nie im Leben kann ich euch zumuten, innen und außen in einen Bericht zu packen. Denn beide Bereiche haben einiges zu berichten. Aus diesem Grund gibt es das Hamburger Rathaus in zwei Teilen in meinem Reise- und Fotoblog. Und damit ihr euch gleich wieder dran erinnert – ihr seid auch auf einem FOTOblog 🙂 🙂

Wir hatten das Glück, dass wenig später nach unserer Ankunft eine Führung durchs Rathaus startete, natürlich mit uns. Ich kann sie euch wirklich nur empfehlen. Einen kleinen Einblick, was euch da im Inneren erwartet, bekommt ihr schonmal ….

Uns blieb deshalb erstmal keine Zeit, das Hamburger Rathaus von außen genauer zu betrachten. Haben wir nach der Führung nachgeholt. Irgendwann musste ich mich dann losreißen, denn wir hatten an diesem Tag noch mehr vor. Denn an dem Gebäude, übrigens eines der wenigen aus dem Historismus, die in Deutschland vollständig erhalten geblieben sind, gibt es richtig viel zu sehen.

Drei Flügel hat das Gebäude, für das am 6. Mai 1886 der Grundstein gelegt wurde. Hier nicht wie üblicherweise aus Stein oder Beton, sondern mit 4.000 Holzpfählen die in den sumpfigen Grund gerammt wurden. Ganz nüchtern lesen sich

die Zahlen zum Hamburger Rathaus

111 Meter lang, 70 Meter breit und der Turm geht 112 Meter in die Höhe. Und die Fahnenmasten vor dem Rathaus sind auch ganz schön beachtlich, 29 Meter gehts da nach oben. Es scheint von unten so klein, das Schiff da oben. Es ist aber 2 Meter lang.

Wie ihr auf diesen Fotos schon sehen könnt, es gibt einiges an der Fassade zu entdecken. Bevor ich da ins Detail gehe, gibt es

ein bisschen Stadtgeschichte zu Hamburg

die bis ins 8. Jahrhundert n.Chr. zurück geht. Dort, in der Innenstadt am heutigen Domplatz nahmen die Anfänge der zweitgrößten Stadt Deutschlands ihren Lauf. Mit einer alten Siedlung auf einem Sumpfgelände, das man Hammaburg nannte. Natürlich musste diese kleine Siedlung von etwa 200 Handwerkern, Fischern und Handwerkern vor feindlichen Angriffen durch einen Schutzwall geschützt werden. 832 wurde dann die kirchlichen Anfänge gelegt, Papst Gregor IV. gründete 832 das Erzbistum und der erste Bischof, Ansgar, kam in die Hammaburg. Unter ihm wurde die erste Kirche in Hamburg gebaut – der Dom St. Marien, den es aber so in der Innenstadt nicht mehr gibt. Er hat seinen neuen Standort heute im Stadtteil St. Georg.

Die wirtschaftliche Entwicklung der größer werdenden Siedlung, die man davor aber mehrfach in Schutt und Asche legte, begann hauptsächlich ab dem 10. Jahrhundert. Rund um den Dom entstand ein Schloss und die Stadt teilte sich in einen vom Erzbischof regierten Bereich und in die herzogliche Neustadt. Die ersten Handelsbeziehungen wurden aufgebaut, aber zu spät daran gedacht, dass man die Befestigungsanlagen auch erweitern müsste. Hamburg wurde wieder überfallen und die Erzbischöfe flüchteten aus der Stadt. Die kirchliche Macht zog aus der Stadt nach Bremen. Bei den weltlichen Herrschern tat sich aber auch einiges – die Adolfs kamen nacheinander an die Macht. Gemeint sind die aus dem Geschlecht der Schauenburger, die auch in Lübeck schon das Sagen hatten.

Graf Adolf III. wollte 1188 eine Kaufmannssiedlung in der Neustadt gründen und sicherte den hergeholten Kaufleuten Rechte zu, die er eigentlich ja noch gar nicht hatte. Jetzt kommt unser Schwäble ins Spiel, deshalb habe ich das Rathaus meinen Stauferspuren zugeordnet, denen ich schon seit einiger Zeit auf den Fersen bin. Immerhin lebe ich im Staufergebiet, wurde in der ältesten Stauferstadt Schwäbisch Gmünd geboren, und die Stammburg des Staufergeschlechts ist ein paar Kilometer von meinem Heimatort entfernt. Die Drei-Kaiser-Berge beherrschen unser Gebiet, darunter der Hohenstaufen wo die Stammburg stand. Auch unser Hausberg, der Stuifen, zählt als Kaiserberg. Kaiser Friedrich I. Barbarossa war zu dieser Zeit Kaiser des Landes, und Graf Adolf III. dachte, was Papa kann, kann ich auch. Denn bereits der, der die Hansestadt Lübeck gegründet hatte, hat sich mit dem Kaiser gut gestellt. Was beim Vater geklappt hat, klappte dann auch beim Sohn, mit Hilfe des Kaisers bekam Adolf III. nach Querelen seine Macht da oben im Norden wieder. Jetzt muss er nur noch vom Kaiser das bekommen, was er den hergelockten Kaufleuten versprochen hatte. Zu dieser Zeit hat man auf Kreuzzügen ‚Gut Wetter‘ gemacht und sich so eingeschmeichelt.

Tadaaaaaa … geklappt! Hamburg bekam am 7. Mai 1889 vom Kaiser Friedrich I. Barbarossa einen Freibrief, der weitreichende Privilegien enthielt. Bis zur Nordsee mussten keine Zölle mehr bezahlt werden, eine Heerpflicht gab es nicht mehr, nur die Bürger mussten ihre Stadt schützen – ABER im Umkreis von 15 km um Hamburg durfte keine Burg mehr errichtet werden. Dann wurde den Bürgern noch zugesichert, dass sie Vieh halten dürfen, Fische fangen und Bäume zu roden. Damit war er die Grundlage für Hamburgs Reichsunmittelbarkeit und der Hafengründung. Jedes Jahr feiert die Hansestadt diesen Tag mit einem großen Hafengeburtstag. Tja, nur ein bissle dumm, dass sich das Datum später wohl als eine Fälschung herausgestellt hatte und die Urkunde nach Barbarossas Tod ausgestellt geworden wäre. Keiner weiß warum. Die Hamburger stört es wenig, man denkt sich einfach, die alte Urkunde gilt und feiert den Hafengeburtstag wie gewohnt.

Hinterhältigkeit war ja zu dieser Zeit an der Tagesordnung. Das spürte auch Graf Adolf III.. Als er einmal nicht in Hamburg weilte, begann man Rathäuser zu bauen und 1201 wurde er bei einem Überfall dann auch gefangen genommen und die Stadt wurde besetzt. Es kam die Zeit als der Enkel von Kaiser Barbarossa an der Macht war, Friedrich II., der Ländereien nördlich von Hamburg an Dänemark abtrat. Zu dieser Zeit wurde die Stadt von einem dänischen Statthalter verwaltet. Der erreichte 1216, dass sich die Altstadt mit der Neustadt vereinte – es wurde ein gemeinsames Hamburg.

Machen wir eine weite Zeitreise Richtung Gegenwart – Hamburg wuchs und hat sich zu einer bedeutenden Handelsstadt entwickelt. Bedeutet aber auch Neider, vor allem der Herrscher von Dänemark schielte da etwas Südwärts was er abgreifen konnte. Zu bestimmen hatte zu dieser Zeit, Anfang 1600 alleinig der Rat, was den Bürgern der Stadt Ende des Jahrhunderts dann so richtig sauer aufstieß. Wer bestimmt mit wem? Diese Querelen zogen sich 13 Jahre lang hin, bis dann endgültig beschlossen wurde – der Rat darf nix ohne Bürgerschaft bestimmen. Und Hamburg entwickelte sich weiter. Wurde aber auch von vielen schlimmen Ereignissen gebeutelt – u.a. der große Stadtbrand der die Innenstadt in Schutt und Asche gelegt hat oder die verheerenden Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg, die diesselben Auswirkungen mit sich brachten.

So groß die Stadt ist, so umfangreich ist ihre Geschichte. Wenn ihr das alles in Einzelheiten nachlesen möchtet, dann klickt HIER, denn ich möchte euch jetzt Interessantes an der

Außenfassade des Hamburger Rathauses

zeigen.

Der Turm des Hamburger Rathauses

der ja 112 Meter in die Höhe ragt, bietet da so einiges. Ich arbeite mich mal von unten nach oben 🙂

Der Eingang ins Rathaus ist genau in der Mitte des Gebäudes, unten im Turm, direkt darüber das Hamburger Stadtwappen. An dieser Stelle konnte meine ‚Emma‘ erst etwas höher fotografieren. Sie hätte ansonsten den netten Polizist, der seinen Dienst am Eingang verrichtet und mein nicht geliebtes schmückendes Beiwerk, sprich Menschen, aufs Foto bekommen. Wenn ihr euch schon durch meine Berichte gelesen habt, ist euch das sicher schon aufgefallen, dass ich das nicht mag.

Aber über dem Eingang wird es interessant – da stehen

die beiden wichtigsten Kaiser an der Hauptfassade des Hamburger Rathauses

und das sind Karl der Große (768-814) und 🥳 tadaaaa … mein Schwäble, Kaiser Friedrich I. Barbarossa, der von 1152-1190 regiert hat. Ja, stimmt, ich hab so ein paar Geschichtslieblinge, die ich ein bisschen in mein Herz geschlossen habe, auch wenn er bestimmt kein leichter Zeitgenosse war. In Prag ist es Kaiser Karl IV., es gibt aber auch welche, vor allem unter den Württembergern, denen würde ich heute noch mit der Mistgabel hinterjagen.

In die Mitte nehmen die beiden

die Hamburger Stadtgöttin Hammonia

Eigentlich ist ihr Name selbsterklärend, wenn man an die ersten Stadtnamen von Hamburg denkt – Hammaburg. Da Hammon für den römischen Gott Jupiter steht und dieser in Gedichten und Erzählungen auftaucht, war man wohl schnell dabei den Namen eines Gottes als Stadtgott abzuleiten. Irgendeiner hat angefangen ‚Hammon‘ als Frau abzubilden, was in der Folge immer wieder passierte. Und so taucht offiziell und schriftlich am 21. Februar 1710 ‚Hammonia‘ auf und die Stadtgöttin war geboren. Bildlich wird sie als Frauenfigur dargestellt, oft mit den Attributen mit einem Steuerrad (so wie hier am Rathaus) oder einem Wappenschild, oder ein Anker.

Jetzt kommen Vier, die die Freiheit der Hansestadt symbolisieren –

die bürgerlichen Tugenden am Rathausturm des Hamburger Rathauses

und dass sie über den beiden Kaiser sind, unterstreicht diese Freiheit. Schließlich ist Hamburg eine Freie und Hansestadt und keine Reichsstadt. Zwei Künstler durften jeweils zwei Tugenden darstellen, alle als Frauengestalten. Da sind die Weisheit, die sinnbildlich über allen anderen steht, denn ohne Weisheit gäbe es nicht die Tapferkeit, die Frömmigkeit und die Harmonie. Im Inneren werdet ihr ihnen auch noch ein paarmal begegnen.

Über den Bronzefiguren ganz groß das Wappen der Hansestadt.

Ihm begegnet ihr bei einer Rathausführung im Inneren auch

der Phönix am Rathausturm in Hamburg

Er symbolisiert als Figur aus der Mythologie „Phönix aus der Asche“ und nimmt Bezug auf den Großen Stadtbrand 1842, bei dem drei Tage das Feuer große Teile der Innenstadt in Schutt und Asche legten. Aber wie Phönix aufersteht das neue Hamburg. Zwei Meter Flügelspannweite hat der Phönix an der Außenfassade.

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Rathausturm Hamburger Rathaus 6659

Die Rathausuhr am Hamburger Rathaus

zeigt 41 Meter über dem Rathausplatz, ob jemand Gas geben muss, weil zu spät. 1895 wurde sie gebaut und das Ziffernblatt hat einen Durchmesser von fünf Meter. Wirkt von unten kleiner. Kein Wunder dass die Zeiger sich dem Durchmesser anpassen – der Stundenzeiger ist über 1,50 Meter lang, der Kleine darf groß sein, 2,20 Meter Länge.

Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr ich meine ‚Emma‘ liebe. Hat sie doch mit ihrem scharfen Auge hier am Rathaus mal wieder so richtig gezeigt, was sie kann 🥰

Mit bloßem Auge tut man sich nämlich ein bisschen schwer zu erkennen, wer da an der Vorderfront des Rathauses Spalier steht.

Die Kaiser und Könige an der Vorderfassade des Hamburger Rathauses

Genau 20 Schwergewichte stehen da oben – und schwer nicht nur indem sie das Wort im Reich hatten, sondern auch weil sie so ungefähr 600 kg wiegen. Da versammeln sich neben Karl dem Großen und Friedrich I. Barbarossa noch der Sohn und Enkel des Rotbarts, Heinrich VI. und Friedrich II.. Die dürfen auch gleich neben Papa und Opa stehen. Hach ja, da fällt mir gerade eine sehr romantische Geschichte ein, die erzählt wird – ob sie jemals so war? Es ist eine Sage, die von „Barbarossa und die Wäscherin“. In meinem Bericht zum Burg Wäscherschloss könnt ihr mehr darüber lesen.

Einigen der erlauchten Herren bin ich bei meinen Reisen schon begegnet – vom Fürstenzug in Dresden grüßen, wie auch hier an der Rathausfront, Ludwig der Fromme und Ludwig der Deutsche. Zwei haben mich auf den Spuren der Vergangenheit in Prag begleitet – Rudolf I. und Karl IV. Karl hat in Prag den sogenannten ‚Königsweg‘ eingeführt – DER Weg, den die böhmischen Könige von der Innenstadt hinauf auf den Veitsdom gegangen sind.  Der war aber auch in meinem Schwabenländle aktiv und hat für Ordnung gesorgt. Joseph II., Sohn von Kaiser Maria-Theresia, durfte ich in Prag als römisch-deutscher Kaiser auch erleben. Er hat sich nicht nur Freunde da gemacht. Die Kleinseite von Prag kann da was erzählen.

Die Ära von Otto I. konnte ich im Kaiserdom und Schloss von Merseburg in Sachsen-Anhalt nachverfolgen. Und jetzt sind sie alle da oben versammelt, aber jeder in seiner Nische, damit es keinen Streit gibt 😉

In der nächsten Etage über den Köpfen der Kaiser und Könige sind

Skulpturen der bürgerlichen Berufe an der Fassade des Hamburger Rathauses

Insgesamt 28 Berufe werden hier präsentiert. Da der Fleiß ja eine der vier Tugenden ist, versteht es sich von selbst, dass an drei Seiten des Rathauses darauf eingegangen wird. Ihr findet hier vom Fischer, Bäcker, Schneider, Schornsteinfeger, Schlachter, Zimmermann so gut wie alle Berufe bis hin zum Pastor.

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Jetzt geht es in die höchsten Sphären – über allen stehen

die Schutzpatrone und Heiligen auf dem Dach des Hamburger Rathauses

sinnbildlich bedeutet es für mich – sie wachen über alle und geben ihren Segen mit. Nicht nur die Schutzpatrone für die fünf Hamburger Hauptkirchen sind da on top, zwei stehen für die Teilorte von Hamburg St. Georg und St. Pauli und zwei für aufgelöste Klöster, die es früher in Hamburg gab.

Die Hl. Katharina steht für die Katharinenkirche, der Hl. Petrus für die gleich ums Eck liegende St. Petri-Kirche, der Hl. Jakob wacht über die St. Jacobi-Kirche, die Kirche der Pilger in Hamburg. Natürlich der Hl. Michael für die wohl bekannteste Hauptkirche Hamburgs, St. Michaelis-Kirche oder einfach nur der Michel. Und der Hl. Nikolaus ist für die Nikolaikirche zuständig – das ausgebrannte Mahnmal mit dem erhaltenen Nikolaiturm in der Stadt und für die neu erbaute Hauptkirche in einem Vorort.

St. Georg betreut den gleichnamigen Stadtteil, in dem heute der Marien-Dom steht. Und der Hl. Paulus ist für das bekannte St. Pauli zuständig. Dort hatten wir das unsagbare Glück einer für uns geöffneten Kirchentüre, die ansonsten immer geschlossen ist (außerhalb der Gottesdienstzeiten versteht sich).

Also die müssen ja schon extrem schwindelfrei sein, so hoch oben wie die sind – wäre kein Job für mich 😉

Mit Klick auf die nachfolgenden Buttons kommt ihr zu meinen

ausführlichen Berichten der Hauptkirchen Hamburgs und der Stadtteile

Jedes Gebäude hat ja eine Vorder- und eine Rückseite. Oft sagen wir im Schwäbischen ‚vorna hui ond henta pfui‘ – kennt ihr den Satz auch? Bei solch einem Prachtbau wie dem Hamburger Rathaus trifft das natürlich nicht zu. Ich war und bin mir immer noch nicht so ganz sicher, welche Seite mir da tatsächlich besser gefallen hat. Ihr solltet die Rückseite jedenfalls in keinem Fall auslassen, da kommt ihr durch die offenen Seitentore rein, ebenso in die prachtvolle Dielenhalle im Erdgeschoss des Rathauses.

Wir haben nach der Rathausführung den Ausgang zum

Innenhof des Hamburger Rathauses

gewählt. ‚Heiligs Blechle!‘ – da stand ich erstmal staunend da. Ihr wisst ja um diesen Ausdruck eines Schwabens für höchste Bewunderung? Mitten im Innenhof zieht der

Hygieia-Brunnen im Innenhof des Hamburger Rathauses

meinen Blick an. Man kann ihn ja auch wirklich nicht übersehen. 1895/96 wurde er vom Bildhauer Joseph von Kramer (der hat auch noch anderes für das Rathaus gestaltet) und sollte eigentlich eine ganz andere Geschichte zu Hamburg erzählen – nämlich zur Hafenstadt, und als Figur Merkur, der Handelsgott. Aber dann kam ein Ereignis dazwischen, das in Hamburg vieles veränderte. 1892 brach die größte Choleraepidemie aus, bei der über 8.000 Hamburger ihr Leben ließen. Schaurig, so die Parallelen zu heute mit Corona? Anfangs nahm man diese Katastrophe dort gar nicht als so bedrohlich wahr, bis immer mehr Menschen erkrankten und verstarben. Echt, ich bekomme gerade Gänsehaut – wie bei Beginn in der Neuzeit von Corona. Begünstigt wurde der schwere Verlauf durch die sogenannten Gängeviertel in der Stadt. Das sind ganz eng bebaute Wohnviertel, mit so schmalen Straßen und Gängen, dass teilweise kein Gefährt durchkam. Um der Epidemie Herr zu werden, hat man diese Gängeviertel abgerissen, die Menschen umgesiedelt, und so ist zum Beispiel die Mönckebergstraße entstanden.

Kurzerhand hat man sich bei der Gestaltung des Brunnens umentschieden, und hat das heutige Kulturdenkmal der griechischen Göttin der Gesundheit gewidmet – der Hygieia. Jetzt wisst ihr auch, woher der Name Hygiene abstammt. In der griechischen Mythologie wird sie auch einmal als Gemahlin von Hermes (dem Schutzgot der Reisenden und Kaufleute) genannt. Ihre Schwestern sollen die Göttinnen der Medizin und Zauberei gewesen sein, bleibt also in der Familie, eine Göttin der Gesundheit. Sie wird meist mit einer Schlange die aus einer Schale trinkt dargestellt, oder auch mit einem Füllhorn voll mit Früchten.

Und – man begegnet ihr im Eid des Hippokrates: „Ich schwöre bei Apollon, dem Arzt, und Asklepios, Hygieia, Panakeia sowie alle Götter und Göttinnen als Zeugen anrufend ….“ Nicht verwunderlich, dass sie auch als Schutzpatronin der Apotheker fungiert.

Jetzt steht sie da im Innenhof, auf dem höchsten Aufbau der dreistöckigen Brunnens – als Bronzestatue, die in ihren Händen eine Schale hält. Das überlaufende Wasser fließt in das darunter liegende Becken und sprudelt aus den Wasserspeier nach unten. Zu ihren füßen liegt der Drache, der symbolisch für den Sieg über die Cholera steht.

Sechs Bronzefiguren sitzen unten um den Brunnen – alle haben einen Bezug zum Wasser oder dessen Verwendung.

Hygieia wird beobachtet. Vielleicht fällt ihr das gar nicht auf, weil die Herren hinter ihrem Rücken stehen. Es sind

die Bischöfe und Grafen an der Hoffassade des Hamburger Rathauses

die allesamt in der Geschichte von Hamburg mitgemischt hatten. Insgesamt sechs haben es an die Fassade geschafft:
die drei Erzbischöfe von Hamburg-Bremen, allen voran St. Ansgar, dem Hamburg den ersten Dom zu verdanken hat. Dann ist da Heinrich der Löwe von dem Welfengeschlecht und Herzog von Sachsen. ER war es, der mit dafür gesorgt hat, dass sein Vetter, kein geringerer als unser Schwäble Friedrich Barbarossa 1152 zum König gekrönt wurde. Eine Hand wäscht die andere, der neu gekrönte König Barbarossa dankte es ihm mit Förderungen. (bewachen deshalb vielleicht die vier Löwen den Eingang zum Innenhof?) . Naja, es war da einfach ein Hin und Her zwischen den Beiden, so nach dem Motto helf ich dir, hilfst du mir bei Italien erobern und schließlich ist man ja auch verwandt.

Loewe am Hamburger Rathaus 6601Und warum ist der jetzt für Hamburg so bedeutend? Da gab es im Vorfeld schon ein HickHack zwischen Heinrich und den Erzbischöfen von Bremen, die ja auch für Hamburg zuständig waren. Nachdem der mal wieder zwei weitere Bischöfe geweiht hatte, hob Heinrich die Hand und beanspruchte das königliche Investiturrecht in drei Bistümern nördlich der Elbe. Es war im Wormser Konkordat festgelegt, dass der König einen neu gewählten Bischof mit den weltlichen Gütern ausstattet. Mit dieser Beanspruchung schränkte Heinrich jetzt aber die Kompetenzen des Erzbischofs ein. Friedrich Barbarossa bestätigte Heinrich 1154 dieses Sonderrecht auf Dauer und somit bekam „sein geliebter Heinrich“ ein Sonderrecht, das ansonsten keinem anderen deutschen Fürsten zugute kam. Er, Heinrich, hatte das königliche Recht für die nördlichen Bistümer, aber auch für alle Bischofssitze die noch dazukommen, die Bischöfe zu berufen.

Hmmm…. geschickt gezogen von Barbarossa, der sich jetzt von Heinrich Unterstützung in Italien erwartete. So schnell kann man vom ‚geliebten Heinrich‘ zum ‚gehassten Heinrich‘ werden, denn der weigerte sich bei einem Krieg gegen die lombardischen Städte seinen Förderer Barbarossa zu unterstützen. Barbarossa verlor diesen Kampf, auch mit dem Papst, und Heinrich der Löwe wurde auf Betreiben mehrerer Fürsten gestürzt und musste ins Exil.

Dann stehen da noch Graf Adolf III. von Lauenburg über den ich im Bericht zum Nikolaiturm mehr berichtet habe. Er zeichnet dafür verantwortlich, dass eine neue Kaufmannssiedlung in Hamburg entstanden ist. Auch der nächste Adolf durfte mit da oben als Skulptur.

Es gibt da an der Hoffassade des Hamburger Rathauses noch sooooo viel zu entdecken. Aber das dürft ihr jetzt selber machen.

Vielleicht findet ihr den Küchenjungen, der genüsslich einen Löffel abschleckt? Oder Adam und Eva?
An der westlichen Seite hab ich ihn noch entdeckt, Hymen, der Gott der Ehe. Er ist an einem Portal, das eigentlich einmal zur Brautpforte hätte werden sollen – der Eingang zum Standesamt. Das wurde aber nie ins Rathaus verlegt, ergo schreiten durch die Pforte und die Turteltauben am oberen Ende nie Brautpaare. ABER, trotzdem gibt es zu verschiedenen Terminen die Möglichkeit, den Bund der Ehe im Hamburger Rathaus zu schließen. Schaut mal in meinem Beitrag bei der Rathausführung, ob ihr den Raum entdeckt 😉

Ein letzter Blick zur Fassade und dann zeig ich euch noch ein Gebäude, von dem ich ursprünglich gedacht habe, es gehört auch noch zum Rathaus.

Die Handelskammer Hamburg

zählt zu den schönsten Gebäuden in Hamburg und schließt sich direkt ans Rathaus an. Im Innenhof sieht man deshalb die Rückfront des historischen Gebäudes, in dem auch die Hamburger Börse untergebracht ist.
An dieser Front Reliefs mit denen Hamburg Handelsverbindungen pflegte.

Da wir das Gebäude nicht von vorne angeschaut haben, gibt es in meinem Reiseblog keinen ausführlichen Bericht dazu. Wenn ihr mehr über die Handelskammer und Börse nachlesen möchtet, dann klickt HIER.

Wir setzen unseren Besuch in der Altstadt von Hamburg jetzt nämlich fort und heben uns diesen Besichtigungspunkt für einen weiteren Besuch in Hamburg auf.
Kommt ihr mit auf unsere Entdeckungstour in der Hamburger Innenstadt?

So kommt ihr zum Hamburger Rathaus

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