Man sagt Waiblingen im unteren Remstal nach, sie wäre eine der schönsten Fachwerkstädte in Süddeutschland. Das will ich genauer wissen.
Deshalb gibt es an dem heutigen Sonntag eine ‚geballte Ladung‘ Waiblingen. Vielleicht muss es erst eine abgesagte Reise, samt der erschreckenden Feststellung ‚vom unteren Remstal hast du aber nicht wirklich viel in deinem Reiseblog‘ geben, damit ich in diese Metropolregion Stuttgart vordringe. Denn bisher stand Waiblingen als Fachwerkstadt nicht so richtig auf meinem Erinnerungsradar. Stadt im Großraum Stuttgart, das hatte mein Denker bisher über Waiblingen abgespeichert gehabt. Dieser Speicher wurde mit der ersten Google-Recherche dann aber ganz schnell gelöscht. Bitte liebe Waiblinger, die ihr diesen Bericht lest, verzeiht mir dieses frühere Denken. Ich habe in diesen Wochen, seit wir verstärkt in meiner Heimatregion on Tour sind, lernen dürfen, dass da so einiges fälschlich abgespeichert wurde. Ellwangen z.B. hatte auch so einen Stempel drauf, den ich dann auch ganz schnell weggewischt habe.
Von manchen Orten weiß man es ja schon von vornherein, dass sie sehenswert sind. Meine Suche in meiner selbst gewählten Challenge „Heimatkunde“ hat sich aber oft auch auf die kleinen versteckten Örtchen konzentriert. Und da kamen dann so Kleinode wie die Ulrichskapelle im Kloster Adelberg oder die Oberhofenkirche in Göppingen auf meinen Zettel. Wenn ihr so ein Kleinod oder sehenswertes Ziel wisst, immer gerne her damit. Ich kann ja nicht das gesamte Remstal bis in den letzten Zipfel meines Heimatkreises kennen.
So, jetzt aber wieder zu Waiblingen. Ganz früh haben wir Fridolin auf der B 29 von Schwäbisch Gmünd hinunter nach Waiblingen fahren lassen. Einen Parkplatz, sogar schön überdacht 🙂 haben wir auch gleich für ihn gefunden. Macht euch keine Sorge um einen Parkplatz, davon gibt es in Waiblingen wirklich genug. Wir haben das Parkhaus Forum gewählt und waren von dort in wenigen Schritten Richtung Innenstadt. Und damit beginnt
Inhaltsverzeichnis
- 1 Mein Besichtigungsrundgang durch Waiblingen
- 1.1 der Michaelskirche in Waiblingen
- 1.2 Nonnenkirchle in Waiblingen
- 1.3 die Bürgermühle in Waiblingen
- 1.4 ein bisschen Stadtgeschichte zu Waiblingen
- 1.5 Waiblingen und die Staufer
- 1.6 meinen Bilderimpressionen zum Mauergang in Waiblingen
- 1.7 am Beinsteiner Tor in Waiblingen
- 1.8 Haus der Stadtgeschichte in Waiblingen
- 1.9 Weingärtner Vorstadt in Waiblingen
- 1.10 Die Marktgasse in Waiblingen
- 1.11 in der Langen Straße in Waiblingen
- 1.12 die Neidköpfe in Waiblingen
- 1.13 beim Hochwachtturm in Waiblingen
- 1.14 Die Stauferstele in Waiblingen
- 1.15 Marktplatz von Waiblingen
- 1.16 Alte Rathaus von Waiblingen
- 1.17 Neuen Rathaus in Waiblingen
- 1.18 Nikolauskirche in Waiblingen
- 1.19 das ehemalige Fellbacher Tor in Waiblingen
- 1.20 Landschaftspark Talaue in Waiblingen
- 1.21 Das könnte Euch auch interessieren:
- 1.22 So kommt ihr nach Waiblingen
Mein Besichtigungsrundgang durch Waiblingen
mit dem ersten Higlight –
der Michaelskirche in Waiblingen
Ursprunglich hieß die Kirche nicht nach dem Namenspatron, dem Erzengel Michael. Damals, so zu Mittelalterzeiten war es einfach die nur die ‚Größere oder Äußere‘ Kirche. Äußere deshalb, weil sie außerhalb des Stadtmauerrings lag. Vermutlich deshalb, weil die Kirche damals noch von einem Friedhof umgeben war. In früheren Zeiten wollte man ja keinen Friedhof aus Furcht vor Seuchen in der Stadt haben, war ja in Nördlingen genauso. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam die Kirche dann offiziell den Namen „Michaelskirche“. In einer Seitenkapelle kann man das von etwa 1460 stammende Relief des Erzengels bewundern.
Auch sonst gibt es in der Michaelskirche einiges zu entdecken. Mir haben es neben der Kanzel und den scheinbar schrägen Emporen auch die herrlichen Schluss-Steine im Gewölbe angetan.
Gleich nebenan findet sich mit dem
Nonnenkirchle in Waiblingen
ein kleines Kleinod, bei dem wir leider vor verschlossenen Türen standen. Etwa um 1500 wurde die Kapelle errichtet und geht auf ein Nonnenhaus zurück. Vermutlich war es damals als Grabkapelle gedacht. Auf jeden Fall soll die Kapelle im spätgotischen Stil sehr schön gestaltet sein. Vielleicht habe ich irgendwann das Glück, dass die Türen offen sind.
Die Michaelskirche wurde auf einem kleinen Hügel nur wenige Meter neben der Rems damals erbaut. Über die Kirchbrücke gehen wir Richtung Altstadt – mit dem ersten Blick auf die Nikolauskirche. Bei diesen ersten Eindrücken wird mir schon klar, sooooo schnell sind wir in Waiblingen nicht durch. Es gibt einfach zuviele interessante Blicke.
Das erste kleine Fachwerkhäuschen hat mich am Ende der Kirchbrücke angelacht –
die Bürgermühle in Waiblingen
die als eine von zwei weiteren Mühlen 1574 neu gebaut wurde. Den verheerenden Stadtbrand 1634 im Dreißigjährigen Krieg hat sie heil überstanden und tat bis zur Aufgabe des Mühlbetriebs 1921 ihre Dienste.
Ein Blick an der Mühle vorbei, gibt den Blick frei auf die Erleninsel, die früher zum Besitz des Müllers zählte. Heute ist es eine kleine Oase der Erholung in Waiblingen.
Bevor es in dem sichtbar, wirklich alten Teil von Waiblingen weitergeht, gibt es
ein bisschen Stadtgeschichte zu Waiblingen
Da Waiblingen ja Verstärkung mit mehreren Teilorten hat, kann man in einzelnen Teilorten schon eine Besiedlung bis zur Mittelsteinzeit zurückverfolgen. Warum dieses Gebiet damals schon so auserwählt war? – keine Ahnung. So ganz ungeschickt lag das Gebiet schon damals wohl nicht, so eingebettet zwischen Neckar und Rems. Auch aus der Römerzeit, zwischen 155 und 260 n. Chr. lassen sich Spuren belegen. Dann wird es wieder eine Weile still mit Überlieferungen zu Besiedlungen.
Erst in der alemannischen Zeit blühte die Gegend um den heutigen alten Stadtkern von Waiblingen auf. Vielleicht Futterneid? Die Karolinger, die Herrscher des westgermanischen Frankenreichs wollten das Gebiet in ihren Besitz bringen. Das ging aber nur sehr blutig. Denn im Blutgericht zu Cannstatt ließen die einen Teil des alemannischen Adels umbringen und kassierten dann den Besitz. Eine Königspfalz entstand, die im August 885 von Kaiser Karl III. beurkundet wurde. Damit entstand der Name der Stadt und die erste urkundliche Erwähnung. Dann wird wieder still um die Geschichte der Stadt. Bis, ja bis ‚meine‘ Staufer kommen. Vielleicht habt ihr es auf meinem Reiseblog schon gesehen? Ich bin auch auf den Spuren der Staufer unterwegs, eine wirklich spannende Spurensuche, die auch nach Waiblingen führt.
Waiblingen und die Staufer
Diese Geschichte begann mit Heinrich IV., dem letzten König des römisch-deutschen Mittelalters, der quer durchs Land aktiv war. Nicht immer zur Freude anderer. Durch sein Mitwirken wurde Paps Greorg VII. abgesetzt, und ihr kennt ihn bestimmt – den berühmten Gang nach Canossa – den durfte Heinrich IV. in seiner Streiterei mit dem Papsttum gehen. Auch Königs hatten Kinder, manchmal sogar richtig viele (wobei nicht immer alle zu dieser Zeit den Eintritt ins Leben überlebten, leider), Heinrichs zweites Kind war eine Tochter Namens Agnes. Wie es zu dieser Zeit üblich war, wurden die Kinder schon so richtig früh (in dem Fall) ‚an den Mann‘ gebracht. Denn als gerade mal Siebenjährige wurde sie 1079 mit dem Staufer-Herzog Friedrich I. von Schwaben verlobt. Er war ein wichtiger Mitstreiter von Heinrich IV., der dem bei einem Adelsaufstand treu zur Seite stand.
Naja, so ohne Berechnung fand diese Verlobung wohl von beiden Seiten nicht statt. Der König wollte Friedrich mit der Heirat noch enger an ihn binden. Friedrich bekam vom König Ländereien, baute damit sein Stauferimperium weiter aus und war jetzt im königlichen Umfeld. Mit dieser Verbindung wird seine Tochter Agnes gleichzeitig die Stammmutter der Staufer. Durch ihre königliche Abstammung sah sie damit später auch einen Anspruch auf die deutsche Königskrone begründet. Friedrich I. errichtete auf dem Hohenstaufen seine Stammburg. Man sagt, dass der Berühmteste aus dem Staufergeschlecht, Friedrich I. Barbarossa, in Waiblingen zur Welt gekommen ist. Mehr zu den Staufern könnt ihr auf meiner Seite zum Staufergeschlecht nachlesen.
So nach und nach kassierten die Württemberger Grafen im 13. Jahrhundert die Stadt, die als eine der ältesten Städte in Württemberg gilt. Ich nenn es immer das ‚Ringlein-Spiel‘, welches dann auch mit Waiblingen begann. ‚Ringlein, Ringlein, du musst wandern, von einer Hand in die andern‘ – Waiblingen wurde infolge kriegerischen Auseinandersetzungen zerstört, kam mal in diesen und jenen Besitz und dann wieder in Württemberger Besitz. Aber Waiblingen blühte auf, wurde Verwaltungsstandort, viele Häuser wurden gebaut Die Kirchen wurden gebaut und die Stadtmauer erweitert. Bis es Waiblingen im Dreißigjährigen Krieg richtig hart traf. Nach Dinkelsbühl und auch Nördlingen breiteten sich die einfallenden kaiserlichen Truppen nach der Schlacht bei Nördlingen auch im Süddeutschen Raum aus. Am 18. September 1634 traf es dann auch Waiblingen, die Stadt wurde beschossen und gestürmt und brannte völlig nieder. Und alles nur, weil es in Prag mit dem Zweiten Fenstersturz Zoff gab, was diesen verheerenden langen Krieg auslöste.
Vier Jahre lang war man nicht imstande die Stadt wieder aufzubauen. Nur einige Häuser die außerhalb der Stadtmauer lagen, waren der großen Katastrophe entgangen. 1638 ging man dann aber ans Werk und baute die heutige Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern wieder auf. Das Feuer schlug aber noch zweimal in der Stadt zu. Im 19. Jahrhundert begann dann die Industrialisierung in der Stadt und versorgte die Bürger der Stadt mit Arbeit. Die Stadt wurde größer und die Entwicklung zeigte sich mit prächtigen Bauten in verschiedenen Baustilen. Alles (zum Glück) aber außerhalb des kleinen Altstadtkerns.
Und in diesen kleinen Bereich nehme ich euch jetzt weiter mit, zu einer Stelle, bei der ich anfing, mich in die Stadt zu verlieben – denn die Stadtmauer ist in diesem Bereich noch weitgehendst vollständig erhalten und begehbar. Und wer meine Berichte ausführlich verfolgt weiß, da schlägt mein Herz gleich einen Satz höher 🙂 Ich lieeeeebe solche Flecken. Deshalb verliere ich hier auch gar nicht viele Buchstaben, die habt ihr in der Geschichte genug gehabt und lass euch einfach an
meinen Bilderimpressionen zum Mauergang in Waiblingen
teilhaben. Immer wieder den Blick zur Erleninsel und zu den kleinen Wohlfühloasen an der Rems entlang.
Das älteste Haus AUF der Mauer stammt aus dem 16./17. Jahrhundert und war früher die Älteste Lateinschule. Schaut da mal genauer hin, wie schief die Decke in dem Haus ist.
Wie ihr sehen könnt, geht es da ein ganzes Stück an und durch die Stadtmauer, und oberhalb der Rems entlang. Kleine Oasen und Wirtschäftchen direkt an der Rems …
Wer sich nicht in Waiblingen auskennt (so wie wir 🙂 ) für den ist der Mauergang ein kleiner Überraschungsgang – Wooooo komm ich jetzt raus? Taadaaaa –
am Beinsteiner Tor in Waiblingen
Das im 13. Jahrhundert entstandene Stadttor, ist das Einzige, das noch vollständig im Stadtmauerring erhalten ist. Seit 1491 ist der Turm gut über 22 Meter hoch und auf der Außenseite kam das Wappen von Eberhard I., Graf von Württemberg, oder auch Graf Eberhard im Bart, dazu. In Urach wurde er 1445 geborgen und war der erste Regierende für Württemberg und Teck. Mir ist er bei unserem Ausflug nach Bad Urach auch wieder ‚begegnet‘. Seinen Beinamen erhielt er, als er auf einer Pilgerreise das Gelübde ablegte, dass er sich seinen Bart zukünftig nicht mehr schneiden lasse. Ja, so Bärtige gab es in früherer Zeit ja viele, auch unser Staufer Friedrich I. Barbarossa glänzte mit viel Haar im Gesicht.
Ein zweiteiliges Sgraffito, welches auf die nationalsozialistische Zeit verweist, ist ebenso am Turm zu sehen, wie mit dem Ritter eine Hommage auf die Stauferzeit. Die Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg, die ja nachhaltige Spuren in der Stadt hinterlassen hat, ist ebenso dargestellt. 1864, die Zeit der Torwachen war vorbei, dachte man, der Turm muss weg. Dass dies nicht so einfach war zeigt, dass der Turm samt Durchfahrt in die Stadt immer noch steht und sich zum städtischen Aushängeschild gemausert hat. Für die Waiblinger ist es umgangssprachlich jedoch nicht die Langversion als Beinsteiner Torturm, sondern ganz urtümlich nur der Säuturm. Ihr ahnt es bestimmt, die Schweine wurden durch das Tor auf die Weide getrieben. Ob auch ein manches Zweibeiniges dabei war, ist nicht überliefert 😉
Kaum noch im Mauergang im Mittelalter, trifft man wenige Schritte vom Beinsteiner Tor entfernt, auf die Verbindung mit der Neuzeit.
Der moderne Bau der Galerie Stihl, die Kunstschule und ein Seepferdchen in der Rems (ganz ordentlich gerade mit Mundschutz) stehen im Gegensatz zum Fachwerkgebäude
Haus der Stadtgeschichte in Waiblingen
nur wenige Schritte außerhalb der Stadtmauer entfernt. Es ist das älteste Gebäude in Waiblingen und war, ob seiner Größe, immer nur das ‚Große Haus‘. 1550 wurde es erbaut, wurde als Gerberhaus genutzt. Die Lage außerhalb der Stadtmauer hat es im Dreißigjährigen Krieg vor der Zerstörung gerettet. Wunderschön wurde es, so wie die ganzen Fachwerkhäuser im Stadtkern, saniert und präsentiert jetzt in einer Dauerausstellung die gesamte Waiblinger Geschichte. Uns war heute nicht nach Museumsbesuch, denn dafür stand zuviel heute auf unserem Besichtigungsplan, denn die Stadt begeistert mich immer mehr.
Gehe nicht direkt in die Innenstadt, sondern dahin, wo sich (zumindest heute) kein Mensch hin verirrt hat. Wir haben die
Weingärtner Vorstadt in Waiblingen
erkundet. Das sind so Sträßchen und Eckchen in Städten, die ich liebe. An der Stadtmauer vorbei, dem Haus der Stadtgeschichte einen Blick auf die Rückseite des Hauses geschenkt – und dann geht die Straße außerhalb der Stadtmauer entlang. Bei einem Haus habe ich mich echt gefragt, wie das wohl von innen aussieht? Jedes Fenster hat eine unterschiedliche Höhe in der es gesetzt wurde, der Boden auch nicht gerade …. die Häuser dürften alt sein, so ähnlich alt wie das Große Haus. Seht einfach selber – ich war begeistert ….
Am Ende der Straße zeigen sich wieder Reste der Stadtmauer. Mit deren Bau hat man so um 1250 begonnen und ungefähr 30 Jahre daran gearbeitet. Und wieder vereint sich perfekt Alt und Neu in der Stadt.
Die Marktgasse in Waiblingen
ist das beste Beispiel für Neu. Eine komplett überdachte Einkaufsstraße findet man selten in einer kleinen Stadt. Rechts und Links und auf den Galerien Dienstleister, man sieht durch ein Glasdach wenn es regnet – und wird doch nicht nass. In den 80er und 90er Jahren wurden die Glasfassaden geschaffen.
Jetzt gibt es Fachwerk pur in Waiblingen –
in der Langen Straße in Waiblingen
Meine Verliebtheit in die Altstadt von Waiblingen schoß hier in die Höhe. Links und rechts liebevolle renovierte Fachwerkhäuser, die nach dem großen Stadtbrand wieder aufgebaut wurden. Spätestens hier wusste ich mal wieder, warum wir manchmal nur sehr langsam vorwärts kommen. 😂 Fotomotive an allen Ecken und Enden. Hier ein paar davon, den Rest dürft ihr selber schießen ….
Es lohnt sich, in der Altstadt den Kopf öfters in den Nacken zu legen und nach oben zu schauen. Kreuz und quer begegnen euch in der Innenstadt an den Häusern steinerne Köpfe in unterschiedlichen Gestaltungsweisen. Das sind
die Neidköpfe in Waiblingen
Dieser Begriff tauchte zum ersten Mal 1831 auf. Allerdings damals noch nicht mit der Deutung von heute ‚ich gönne jemandem etwas nicht‘. Bei uns, in meinem Heimatort, und vielleicht bei euch auch, gibt es Hausnamen. Die müssen nicht unbedingt identisch mit dem tatsächlichen Familiennamen sein, aber man wusste ganz genau, wer gemeint ist. So waren zu früherer Zeit Neidköpfe eine andere Variante für Hausnamen, man wusste sofort wer da wohnt. Auch, ob der wohlhabend ist oder nicht, denn auch dies drückten bestimmte Arten der Neidköpfe aus. Und dann waren sie zudem ein Schutz vor dem ‚bösen Blick‘. Eine Minikleine Auswahl bekommt ihr jetzt …
Wir sind mittlerweile am höchsten Punkt der Altstadt angekommen,
beim Hochwachtturm in Waiblingen
45 Meter ragt er in den Himmel, quadratisch 🙂 Man vermutet, dass er bereits in Stauferzeit erbaut wurde, auf jedenfall aber so um das Jahr 1250 herum. Er wurde ganz einfach in die Stadtmauer miteinbezogen, als diese erbaut wurde. Um den Turm findet man die Beziehungen zu den Staufern. Zum einen mit der Stauferstele, zum anderen aber auch, dass der Turm Schauplatz eines historischen Romans ist, der aufgrund der Verbindungen Waiblingen – Staufergeschlecht gewählt wurde.
Wenn ihr gut zu Fuß seid, könnt ihr nach oben. Stellt euch aber auf über 100 Stufen ein. Wer es ganz romantisch liebt, kann sich hier fürs Leben trauen lassen. Es wäre gut, wenn ihr euch vorher nach den Öffnungszeiten erkundigt, vor allem wenn Corona noch das Sagen hat.
Ich bekam ihn fast nicht allein auf das Foto, denn unterhalb des Hochwachtturms drängte sich immer ein Haus des ältesten besiedelten Viertels von Waiblingen mit aufs Bild. Das Gebiet des Zehnthofs, wo früher Naturalabgaben erhoben wurden. Kleine Zeitzeugen erinnern noch daran. Das ist schon so ein richtiges romantisches Fleckchen und im Sommer mit den ganzen Außengastronomien wird hier ganz schön was los sein.
Die Stauferstele in Waiblingen
die direkt beim Hochwachtturm steht verweist auf die Stauferverbindung mit der Stadt. Keiner weiß, ob ein Herrscher des Staufergeschlechts jemals wirklich in Waiblingen war, und ob es tatsächlich so ist, dass Friedrich I. Barbarossa wirklich in Waiblingen das Licht der Welt erblickt haben soll (wie ich es nachlesen konnte), Fakt ist aber, dass die Stammmutter der Staufer, Agnes, eine Tochter des Salierkaisers Heinrich IV. von Waiblingen stammt. Ihr Sohn Konrad wurde deutscher König, dessen Neffe und der Enkel von Agnes, Friedrich I. Barbarossa, römischer Kaiser.
Es ist immer wieder interessant sich alle vier Seiten einer Stauferstele anzuschauen. Die vierte Seite überlasse ich euch 😉
Hab ich euch mit dem bisherigen Teil des Stadtrundgangs schon Lust auf Waiblingen gemacht?
Glaubt mir, es kommt noch besser, denn es geht weiter zum
Marktplatz von Waiblingen
und damit endlich zu einer Kaffeepause 🙂 Die haben wir uns jetzt aber auch wirklich verdient. Gerade mal so Halbzeit in der Stadt, und noch lange nicht fertig. Bei einem sehr späten Frühstück (in Waiblingen geht das bis 14 Uhr 🙂 ) konnte ich ausgiebig meine Blicke schweifen lassen.
Als erstes kann man das große Fachwerkgebäude am Eck nicht übersehen. Es war das ehemalige Amtsgerichtsgebäude, war Wohnung und Arbeitsstätte für den Oberamtsrichter zugleich und wurde so etwa um 1690 erbaut. Hier kann man sich nicht sattsehen an den sogenannten Neidköpfen. Besuch hat der Oberamtsrichter zu der Zeit von bekannten Schwäble bekommen, so gaben sich Eduard Mörike, Nicolaus Lenau oder auch Justinus Kerner die Klinke in die Hand.
Vor dem Gebäude stehen da zwei lebensgroße Herren rum, fast könnte man meinen, die wären echt. Sie sind aber ’nur‘ aus Bronze – die „Taubenhäusler“. Ich hab mich echt kreuz und quer durchs Internet gesucht, was es mit diesem Begriff (über den es auch ein Gedicht geben soll) auf sich hat. Ich hab nicht wirklich viel darüber gefunden, nur soviel, dass dieser Spitzname auf die früher eigennützige Taubenhalter der Waiblinger Bürger zurückgeht. Ihr kennt es vielleicht auch aus eurer Stadt oder Gemeinde, die nicht immer schmeichelhaften Nicknamen, die die Eigenheiten der Bewohner symbolisieren. Wir sind z.B. die Wäschgölten 🙂
Im anderen Teil des Marktplatzes zieht das
Alte Rathaus von Waiblingen
mit den offenen Arkaden meine Blicke an. 1597 wurde es zum ersten Mal erbaut. Diese Arbeit wurde jedoch beim großen Stadtbrand 1634 zerstört. So wie jahrelang die abgebrannte Stadt als Ruine blieb, war es auch beim Rathaus. 1730 machte man sich dann aber doch an einen Wiederaufbau und bis 1875 war es dann das Rathaus der Stadt. Anschließend brachte man den Knaben von Waiblingen dort Lesen und Schreiben bei. In der Arkadenhalle mit der Bemalung aus dem Spätbarock bieten schon seit einigen hundert Jahren Händler ihre Waren an, in heutiger Zeit einfach der Wochenmarkt.
Ach übrigens, was man auf dem Bild nicht sieht, das Männchen im Fenster wandert die ganze Zeit von rechts nach links, und von links nach rechts 🙂
Bevor es wieder dem Gegensatz ‚Moderne‘ zugeht, noch ein Blick zu Justizia, die auf dem Marktbrunnen Gerechtigkeit vermitteln möchte.
Jetzt wieder Alt und Neu ganz nah beieinander, wie so oft in Waiblingen. Hier mit dem
Neuen Rathaus in Waiblingen
das 1959 seinen Platz auf dem ehemaligen Schlossgelände bekam. So um 1291 wurde zum ersten Mal ein Schloss in Waiblingen erwähnt, das den Herren von Württemberg eine standesgemäße Unterkunft bot. So konnten einige Grafen und Prinzessinnen aus dem Haus Württemberg sagen, ich bin in Waiblingen geboren. In einem Schloss, das es heute nicht mehr gibt. Es ist ebenfalls dem großen Stadtbrand 1634 zum Opfer gefallen. Aber eine Erinnerung an diese Zeit gibt es dann doch noch – durch ein Fenster kann man in die damalige Geschichte und auf Ruinenreste des Schlosses schauen. Aufgrund von Spiegelungen war es mir unmöglich, dies im Foto festzuhalten.
So langsam geht es in Richtung Süden wieder unserem Ausgangspunkt zu.
Auf diesem Weg kamen wir wieder an der
Nikolauskirche in Waiblingen
vorbei. Wir haben sie schon am Anfang unseres Rundgangs ‚gestreift‘, konnten sie aber wegen dem Sonntagsgottesdienst nicht von innen besichtigen. Und jetzt? Wir haben mal wieder das Los ‚geschlossen‘ gezogen, wie wir es des Öfteren bei Kirchen schaffen. Im 15. Jahrhundert wurde sie im spätgotischen Stil erbaut, ging aber, wie alles andere innerhalb der Stadtmauer auch, 1634 in Flammen auf. 1677 wurde sie wieder aufgebaut, jetzt aber im Barockstil. Der Innenausstattung wird zugeschrieben, dass sie ein Kunstwerk beherbergt, wie man es in Württemberg so nicht noch einmal findet. Hmm … vielleicht ergibt sich ja noch eine Gelegenheit für eine Besichtigung. Seit 1973 wird sie von der griechisch-orthodoxen Gemeinde genutzt.
Man sollte sich diese Ecke um die Kirche genauer anschauen. Ist man künstlerisch begabt, könnte ich mir vorstellen, dass dieser Flecken als Vorlage für gemalte Kunstwerke dienen könnte. Ein Pfarrgarten und Apothekergarten, den es schon im 17. Jahrhundert an dieser Stelle gegeben hat bietet ein Ort der Ruhe. Bei unserem Besuch – geschlossen.
Wer jetzt glaubt, jetzt hat sie uns aber alles von Waiblingen gezeigt, der täuscht sich ganz gewaltig. Auch wir haben noch lange nicht alles von Waiblingen gesehen, und die Stadt steht bereits auf meinem ‚Wiederholungszettel‘. Zuvorderst aber die Stadtteile von Waiblingen, die mir bei meinen Recherchen einige ‚Schätzchen‘ offenbart haben, die ich gerne entdecken würde. Ist dann noch Zeit … mal sehen Waiblingen 🙂
Kennt ihr eigentlich die ‚Kaiser’s Brustkaramellen‘? Ich habe sie in früheren Jahren gelieeeebt. Die kommen aus Waiblingen 🙂
Waiblingen hat sich schon im 14./15. Jahrhundert zur Industriestadt entwickelt. Und damals, ja damals hielt dann auch noch die Postkutsche auf ihrem Weg von Stuttgart nach Schorndorf in Waiblingen. Heute ist Waiblingen eine pulsierende, moderne Stadt im Einzugsbereich Stuttgarts, bei der man nicht vermuten würde, dass sie so einen liebens- und sehenswerten Altstadtkern vorzeigen kann. Ich habe mich in diesen Teil der Stadt wahrlich verliebt. Vielleicht hab ich euch ja mit meinem Bericht Lust gemacht?
Letzter Punkt unserer Besichtigung – von der ich euch wirklich nicht alles gezeigt habe (den Rest dürft ihr nämlich selber in der Altstadt entdecken) ist
das ehemalige Fellbacher Tor in Waiblingen
von dem heute nur noch das 1826 erbaute Torwarthaus erhalten geblieben ist. Bis ins 19. Jahrhundert kam man durch dieses Tor in die Stadt. Ganz groß ziert die Hausfront das Wappen von Graf Ulrich V.. Genau der, der mir in der Michaelskirche doch recht unsympatisch wurde, weil er alles Wertvolle aus der Kirche in seinen Besitz bringen ließ, alles ‚Unwichtige‘ ließ er vernichten. Wodurch der seinen Beinamen „der Vielgeliebte“ hatte? Hmm …. vielleicht weil er dreimal verheiratet war?
Ulrich regierte lange Jahre nach dem Tod seines Vaters in Württemberg gemeinsam mit seinem Bruder, bis er dann 1441 die Teilung des Landes durchsetzte. Ulrich erhielt den östlichen und nördlichen Landesteil, samt Stuttgart (und eben auch Waiblingen), sein Bruder Ludwig den westlichen und südlichen Landesteil mit der Residenz Urach.
Kommt ihr noch mit in den
Landschaftspark Talaue in Waiblingen
Da beginnt der zweite Teil unserer Erkundung von Waiblingen. Für den einen ist es eine herrliche weitläufige Oase der Ruhe – für den anderen Fun und Spaß auf dem Spielplatz oder Skaterplatz. Es lohnt sich auf jeden Fall ihn zu entdecken.
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