Im Schwabenland gibt es einige bedeutende Kirchen – eine davon steht in Bad Urach. Es ist die spätgotische Evangelische Stiftskirche St. Amandus in der Stadtmitte von Bad Urach.

Ein Tag in Bad Urach, das war unser heutiges Tagesziel. Bad Urach bietet viel mehr, als dass man in einem Tag alles Sehenswerte dort ‚abgearbeitet‘ bekommt, das ist mir durchaus bewusst. Wir haben uns für diesen Tag den Uracher Wasserfall als erstes Ziel gewählt. Allein schon dies wäre ausbaufähig gewesen, wenn …. ja wenn wir am frühen Nachmittag nicht den Ausflugsströmen aus dem Weg gegangen wären, die das gleiche Ziel hatten wie wir. So kam die Burgruine Hohenurach, eines der Wahrzeichen von Bad Urach auf den ‚das müssen wir noch sehen-Plan‘ und wir haben uns für einen Bummel durch Bad Urach entschieden.

Wer sich schon ein bisschen mehr auf meinem Reise- und Fotoblog umgeschaut hat, der weiß, dass wir mittlerweile ein Faible für Kirchen entwickelt haben. Sie dürfen, wenn sie uns denn die Türen öffnen, bei keiner unserer Stadtbesichtigungen mehr  fehlen. Zudem lassen wir uns nicht mehr vom Äußeren täuschen. Das ist wie bei den Menschen auch – ein unscheinbares Äußeres kann einen unheimlich liebens- und entdeckenswerten Kern zum Vorschein bringen. Und jede Kirche ist in ihrem Inneren faszinierend anders.

Meine Besichtigung der Stiftskirche St. Amandus in Bad Urach

beginnt wie immer mit der

Außenansicht der Amanduskirche Bad Urach

und da wird es schon ein bisschen schwierig, die Kirche komplett aufs Foto zu bringen. Ist sie doch so ins enge Stadtbild eingefügt, dass es mir, egal an welcher Position ich stand, nicht gelungen ist.
Einer musste aber unbedingt mit aufs Foto, wo ich doch ansonsten kein ’schmückendes Beiwerk‘ in Form von Menschen mag. Aber da er schon so lange da steht …. ich konnte nicht Nein sagen. Otto Fürst von Bismarck, der erste deutsche Reichskanzler steht schon seit 1899 zwischen dem Residenzschloss und der Stiftskirche St. Amandus.

Es gibt ja viele Begriffe für eine Kirche, von der ‚einfachen‘ Pfarrkirche bis hin zum Dom. Ich hab mich da mal ein bisschen schlau gemacht, ob der vielen Begrifflichkeiten und wann eine Kirche ein Dom, eine Basilika, ein Münster oder eine Stiftskirche ist. Wenn ihr euch da schlauer machen wollt, könnt ihr das HIER.
Die Evangelische Kirche St. Amandus in Bad Urach ist eine Stiftskirche. Gleich neben der Kirche befindet sich das Stift Bad Urach. Das ist aber nicht einem Kloster gleichzusetzen.

Auch immer wieder faszinierend für mich sind die Entstehungsgeschichten einiger Kirchen. Oft sind Sagen überliefert, wie bei der Elchjagd in Ellwangen, wo im Schlaf dem Erbauer der ersten kleinen Kirche ein Glöcklein geläutet hat. Oder bei den Wallfahrtskirchen auf dem Schönenberg oder Hohenrechberg.
Die Amanduskirche in Bad Urach kann nichts an solchen Geschichten aufweisen, aber

die Geschichte zur Stiftskirche St. Amandus in Bad Urach

ist trotzdem nicht ohne. Und die begann schon so um die Stauferzeit im 11. Jahrhundert. Die jeweiligen Adelsgeschlechter entstanden, und so wie in meiner Heimatregion die Staufer um ihrer Stauferburg Hohenstaufen das Sagen hatten, waren es schon zu dieser Zeit die Grafen von Urach. Mitte des 12. Jahrhunderts wird in Urach schon eine Kirche erwähnt, die u.a. dem Hl. Amandus geweiht ist. Tatsächlich konnten durch Funde drei Vorgängerkirchen der heutigen Kirche entdeckt werden. Nachdem das Staufergeschlecht ausgestorben war, mischten sich die Karten der Gebietszuteilungen neu.

Um die Zusammenhänge besser verstehen zu können switch ich ins Jahr 1419, als der württembergische Graf Eberhard früh verstirbt. Seine beiden Söhne, Ulrich und Ludwig, sind noch zu klein zum Regieren, aber einer davon nicht zuuu alt, um Siebenjährig mit einem 8 Monate alten Mädchen verlobt zu werden (sie haben tatsächlich auch geheiratet). Als beide Söhne im regierungsfähigen Alter waren, funktionierte das Regieren zunächst auch gemeinsam gut. In Stuttgart entstand ihre Residenz und beide Brüder heirateten. 1441 kam dann Graf Ulrich V. auf die Idee das Land zu teilen. Der Graf ist mir in Waiblingen, vor allem in der Michaelskirche schon negativ aufgefallen. 🙄
Der Neckar wurde als Grenzlinie bestimmt, Ulrich bekommt die östliche Seite und die Residenz in Stuttgart, Ludwig bekommt den westlichen Teil. Was zunächst als befristet galt, wurde ein Jahr später auf unbefristete Teilung geändert. Und um eine Residenz musst du dich halt kümmern. Die schaffte sich Ludwig dann in Urach. Vielleicht wollte er seinem Bruder nachziehen, genauso groß sollte sie werden wie in Stuttgart. Völlig überraschend verstirbt er dann aber mit 38 Jahren und wie bei ihm damals, so sind auch seine Söhne noch viel zu klein seine Regierung zu übernehmen. Sie bekamen u.a. auch den Onkel Ulrich V. als Vormund.

Nachdem sein Bruder früh verstarb übernahm dann der Sohn Eberhard die Regentschaft von seinem Vater Ludwig, alles etwas an seinem Onkel Ulrich vorbei 🙂
Nach seiner Hochzeit beauftragte dann Graf Eberhard V., der auch Eberhard im Bart genannt wurde, 1474/75 den Bau der Stiftskirche im spätgotischen Stil. Da in Stuttgart alles ein bisschen größer und pompöser war, wollte Eberhard in Urach dem nicht nachstehen. Die alte bisherige Kirche musste weg, damit die größere Kirche an gleicher Stelle gebaut werden konnte. Um das ganze noch mehr aufzuwerten, wurde an die Kirche das Stift angebaut.

Einige Jährchen wurden an der Kirche gebaut, bis sie um 1500 fertig war. Graf Eberhard V. erlebte die Fertigstellung aber nicht mehr. Es gab ein hin und her mit den Ländereien, Württemberg kam zu Österreich, dann wieder zurück zu dem damaligen Herzog Ulrich. Irgendwie sind mir die Ulrichs nicht so wirklich sympathisch – der befahl nämlich, dass unzählige Kleinode aus dem Uracher Kirchenschatz nach Stuttgart zu kommen haben. 1537 gab es sogar eine Anordnung, dass sämtliche Bilder, die die Gläubigen anbeteten, aus der Kirche zu entfernen sind. Uii, da ging es dann aber zur Sache, DAS wollte man so nicht hinnehmen. Einig wurde man sich jedoch nicht und so kam es zum Bildersturm. Es machte mit Sicherheit wütend, dass dabei auch Kunstwerke verloren gingen. Und wenn ihr jetzt mit zur

Innenansicht der Stiftskirche St. Amandus

mitkommt und die noch verbliebenen Schätze in der Kirche seht, dann kann man erahnen, wie reichhaltig die einstige Hofkirche von Eberhard V. ausgestattet war.

Direkt vom Eingang geht man auf den

Hauptaltar in der Stiftskirche St. Amandus

zu. Der verdient wirklich mehrere Blicke. Das Barockgitter, das den Altar komplett umschließt stammt von 1650. Man findet es sehr selten in Kirchen. An dem Rankengitter sind kleine Gemälde angebracht, die die Leidensgeschichte Jesu zeigen.
In dieser Form habe ich es tatsächlich noch nie gesehen, dass somit Laien und Priester ihre Bereiche haben. Üblicherweise wird dies mit den sogenannten Lettner gemacht, die die räumliche Trennung zwischen Geistlichkeit und dem Laienvolk schaffen. Im Dom zu Naumburg war ich begeistert über die Gestaltung der Lettner, die als Novum im Dom auf beiden Seiten vorhanden sind. Es gibt noch unzählige weitere Kirchenbeispiele (auch in meinem Blog) die einen Lettner aufweisen.

Da mein Blick eh schon geradeaus zum

Chor in der Stiftskirche St. Amandus

geht … kommt mal mit.
Auch hier trennt, ähnlich einem Lettner, ein Gitter den Chorbereich von der übrigen Kirche. Es wurde ein paar Jahre nach dem Altargitter angebracht, hat sich aber dieses als Vorbild zur Gestaltung genommen. Unzählige Grabdenkmale sind im Chorraum verteilt. Ein kleines Redepult verdient auch noch einen zusätzlichen Blick. Wie so oft bei den Kanzeln, sind auch hier die Evangelisten mit ihren Attributen dargestellt.

Ende des 15. Jahrhunderts entstand das Chorgestühl. Es wurde mehrfach restauriert und verändert. Mich fasziniert immer wieder, mit welchen Figuren solche Chorgestühle verziert sind. In der Kirche St. Georg in Nördlingen konnte ich mich nicht sattsehen an den Figuren.

Die Chorfenster in der Amanduskirche

stammen aus dem Jahr 1901 und zeigen die Kreuzigung Jesu.

Wieder zurück ins Langhaus ist jetzt die

Kanzel in der Stiftskirche St. Amandus

zur genauen Besichtigung dran. WoW, so eine reich gestaltete Kanzel habe ich noch selten gesehen. Sie ist, was die Gestaltung und vor allem den Schalldeckel betrifft, eine der reichstgestalteten Kanzeln in Württemberg. 1632 kam der Renaissance-Schalldeckel über den Kanzelkorb, dessen Entstehungsdatum nicht bekannt ist. Ganz oben segnet Jesu Christi die Gläubigen. Moses, Petrus und Johannes der Täufer schauen ebenfalls von oben. Was ehemals der Aufsatz an dieser Kanzel war, wurde 1899 als Lesepult in den Chor gestellt. Ihr habt es weiter oben schon gesehen.

Wie bei der Kanzel in der Michaelskirche in Waiblingen sind auch hier nicht die Evangelisten (wie sonst meist so üblich) dargestellt, sondern die lateinischen Kirchenväter Gregor der Große, Hieronymus, Augustinus von Hippo und Ambrosius von Mailand. Dabei haben sie aber das Symbol für die jeweiligen Evangelisten. Die weiteren Figuren an der Kanzel erzählen quasi eine Geschichte. Zwischen der Ordensgemeinschaft der Brüder vom gemeinsamen Leben, die in Urach lebten und Graf Eberhard V., der die Stiftskirche ja erbauen ließ. Und noch so einige Geschichten mehr.

Noch ein paar Worte zum Namensgeber der Kirche,

dem Hl. Amandus

der mir bis zu diesem Besuch noch nie ‚über den Weg gelaufen‘ ist. Nichtmal auf der Karlsbrücke in Prag, wo sich 30 Brückenheilige auf gut 500 Meter versammelt haben. Es gibt viele Heilige die Amandus heißen, welcher von den vielen, weiß man wohl erst seit 1986 als man das Who is Who in einem Kalender von Eberhard V., der im Bart, entdeckt hatte. Es ist der Amandus von Maastricht, der während seiner Lebenszeit im 7. Jahrhundert als Wanderbischof viele Klöster und Kirchen gegründet hat. Missioniert hat er vor allem in Belgien. Wenn ihr noch mehr über ihn wissen möchtet, dann klickt HIER.

Lange Zeit stand ich in dem 40 Meter langen Langhaus der dreischiffigen Stiftskirche mit dem Kopf im Nacken.

Die Decke und die Wandmalereien in der St. Amandus Kirche in Bad Urach

hat dies verursacht. Im Mittelschiff sieht man eine wunderschöne Deckenmalerei. Nicht als Malerei, aber als Figuren und in ihrer Bedeutung gleich, habe ich das Himmlische Orchester in der Wallfahrtskirche auf dem Hohenrechberg gesehen (sehr sehenswert dort!)

So üppig wie in der Michaelskirche in Waiblingen sind sie hier in der Amanduskirche zwar nicht (dort sind es 28 Stück), aber es lohnt sich, sie mit dem Blick nach oben zu suchen

die Schlusssteine in der Amanduskirche

Ich hab sie euch mit dem Teleobjektiv ein bisschen näher geholt. Die Darstellungen sind selbsterklärend.

Mit Grabdenkmalen und Epitaphien, die Uracher Familiengeschichten erzählen, ist die St. Amandus Kirche reichlich ausgestattet. In jeder Seitennische findet sich ein reich geschmücktes Epitaph. Wäre nur das Licht in der Kirche besser gewesen …

Es gibt noch sooooo viel mehr in der Kirche zu entdecken, was ich euch hier gar nicht alles zeigen kann.
Geht auf die Suche nach den drei Kirchenfenstern, die eine schwere Explosion 1707 in der herzöglichen Pulvermühle überlebt haben. Ganz in der Nähe zur Kirche explodierten während eines Gottesdienstes 30 Zentner Schwarzpulver, das man eigentlich trocknen wollte. Die Kirchenbesucher kamen mit dem Schrecken davon, die Kirche aber nicht. Nicht nur, dass hunderte von Risse das Gewölbe durchzogen, eine Orgel wurde genauso wie alle Fenster an der Nordseite der Kirche Opfer dieser Explosion. War ja noch nicht genug, dass bereits nach Ende des 30jährigen Krieges, unter dem die Kirche auch gelitten hat, schon die Fenster herausgefallen sind. Eine Gedenktafel in der Kirche erinnert an diese Explosion.

Auch den geschnitzten Betstuhl von Graf Eberhard, samt einem herrlichen Taufstein dürft ihr selber entdecken. Wäre ja wirklich langweilig bei eurem Besuch in der Kirche, wenn ich euch hier schon alles präsentieren würde 🙂

Solltet ihr einen Besuch in Bad Urach auf eurer Planliste haben, dann lasst die Stiftskirche St. Amandus nicht aus.

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