Essingen, wenige Kilometer westlich von Aalen, hat während der Remstalgartenschau 2019 so richtig aufgetrumpft. Und das nicht nur, weil hier aus einem kleinen Quellbach die Rems entspringt, die sich 80 km durchs ganze Remstal bis zum Neckar schlängelt.

Jedes Mal wenn wir in den östlichen Teil meines Landkreises Ostalbkreis fahren, oder zur Autobahn A7 wollen, kann man abseits der B 29 dem kleinen Ort zuwinken. Fast kann man mit seiner erhöhten Lage meinen, er überwacht da alles, was sich auf der Bundesstraße tummelt. Es gibt für uns allerdings selten einen Grund den Blinker nach rechts zu setzen und in das kleine Örtchen zu fahren. Bis 2019 war es für mich halt einfach nur ein Ort im Ostalbkreis und Remstal.

2019 kam dann die Remstalgartenschau, bei der sich 16 Remstalgemeinden für ihre Besucher fein herausgeputzt haben. Auch Essingen zählte dazu, denn ohne den Remsursprung in Essingen gäbe es ja unseren kleinen Fluss gar nicht. Und wir statteten dem Schlosspark in Essingen einen Besuch ab. Tja, und dann kam 2020 wie ein Wirbelwind Corona in unser aller Leben und hat im September 2020 alle unsere Reisepläne für längere Zeit verschoben. Und nun? Na, es gibt doch sooooo unendlich viel in meiner eigenen Heimat zu entdecken, Flecken, von denen ich bisher dachte ‚ist nichts interessantes‘, Kirchen und Kapellen die wahre Schätze in ihrem Inneren bieten, und Örtchen die es doch mal schafften, genauer angeschaut zu werden. Und so kam Essingen auf den Zettel „Heimatkunde“ für einen weiteren ausgiebigen Besuch. Spätestens auch nachdem wir im Teilort Lauterburg die Burgruine Lauterburg und die kleine Schloßkirche besichtigt hatten. Denn es gibt ja in meinen Berichten auch immer einen kleinen Geschichtsteil, und dieses Gebiet war alles in einer Hand – und noch besser, es gibt Stauferspuren auf denen ich ja seit geraumer Zeit unterwegs bin.

Der bisherige Beitrag wird also mit unserem erneuten Besuch in Essingen neu überarbeitet. Und dieser Tag war voll bepackt mit Besichtigungspunkten. Wir waren als frühe Vögel unterwegs, als Fridolin die etwa 30 km bis Essingen problemlos meisterte. Unser erstes Ziel waren die Weiherwiesen, ein Naturpark bei Tauchenweiler bei Essingen der seinesgleichen sucht. Auf dem Rückweg war dann der alte Ortskern von Essingen dran, zu dem ich euch jetzt mit

meiner Erkundung des Remstalörtchens Essingen

mitnehme. Es ist ja nicht nur einfach soooo ein kleines Dorf, wie ich bereits in Lauterburg beim Schloß (heute Ruine) feststellen konnte. Ein Schloß eines Adelsgeschlechts kommt selten allein daher. Leider ist keines der drei Schlösser zu besichtigen, da sie sich in Privatbesitz befinden. Aber egal, auch von außen kann man einen Blick auf

die Schlösser in Essingen

die sich im alten Ortskern von Essingen befinden werfen. Nein, ich hab mich nicht verzählt, es sind tatsächlich drei Schlösser – aaaaber, das dritte Schloss findet ihr ganz romantisch ein Stück außerhalb Essingens (Richtung Lautern) in Hohenroden. Corona hat uns bei unserer Rundfahrt noch einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht, denn das Schlossgut Hohenroden bietet einen perfekten Rahmen für Feierlichkeiten und bietet in einem Hofladen allerlei Köstlichkeiten an. Aber heute? – Das große Tor war geschlossen und keine Parkmöglichkeit auf die Schnelle für ein paar Fotos. Tja, da müsst ihr dann selber hinfahren, aber allein schon die Lage – traumhaft.

Essingen im Ostalbkreis 2578
Schloss in Essingen 2588
Schloss in Essingen 2779

Bevor es in den Schloßpark geht, darf

ein bisschen Geschichte zu Essingen

nicht fehlen. Durch Funde geht man davon aus, dass es eine Besiedlung möglicherweise sogar bis 2000 v. Chr. gegeben hat. Auch die Zeit der Kelten, so 750-450 v. Chr. konnte durch Gräberhügel-Funde nachgewiesen werden. Auch ein Römerkastell wurde bei den Weiherwiesen entdeckt, das war so die Zeit um 73 n.Chr.. Da Essingen vor dem Albanstieg liegt, könnte dieses Kastell – wie so viele andere auch – zur Sicherung der Verkehrswege gedient haben. Die Römer waren bis so etwa 260 n.Chr. aktiv, bis die Alemannen das Gebiet eroberten. War es bisher vielleicht ein namenloses Dorf, so vermutet man, dass mit den Alemannen Essingen zu seinem Namen kam. Aber wie, wegen wem und wieso – kein Mensch weiß es so genau. Es ist halt seit 482 n.Chr. Essingen 🙂

Erstmalig taucht der Ortsname so um 1090 in einer Schenkungsurkunde auf, einige Jährchen später begann der Bau der Lauterburg gleich ums Eck von Essingen. Und da kommen ‚meine‘ Staufer mit ins Spiel. Vielleicht wisst ihr es ja schon aus anderen Berichten in meinem Reiseblog – ich lebe in einem total ’stauferverseuchten‘ Gebiet 😀 und meine Geburtsstadt Schwäbisch Gmünd ist die älteste Stauferstadt. Erklärt auch, warum ich den Staufern in meinem Reiseblog eine eigene Seite zukommen lasse 😉

Da Lauterburg in der Geschichte eng mit Essingen verbunden ist, sollt ihr wissen, dass die Grafen von Dillingen das Sagen auf Lauterburg hatten, und man sieht es auch bei der Ruine noch deutlich – mächtige Buckelquader (so wie auch bei Burg Wäscherschloss oder Burg Hohenrechberg) deuten auf den Bau von Stauferburgen. Nachdem es keine Erben aus diesem Grafengeschlecht gab, kam die Lauterburg in den Besitz der Staufer, die auf dem Hohenstaufen ihre Stammburg hatten. 1215 übernimmt dann Kaiser Friedrich II. das Regiem in Essingen, und somit kam Essingen in Stauferbesitz.

Jetzt kommt wieder mein „Ringlein-Spiel“ – Ringlein, Ringlein du musst wandern, von einer Hand zur anderen … wie es ja bei soooo vielen Burgen und Schlössern der Fall ist – die Besitzer wechseln und Lauterburg sowie einige Jahre später Essingen 1345 ging der Besitz an die Grafen von Oettingen, und dann an die Württemberger. Man trifft in dieser Zeit immer wieder auf die üblichen Verdächtigen – kurzfristig musste der Württemberger an Kaiser Karl IV. alles abtreten. Ja, ‚mein‘ Karl, der mir in soooo vielen Berichten im Rahmen meiner „Heimatkunde“ über den Weg stolpert, und der mich auf unserer Pragreise im Juni 2020 an allen Ecken und Enden in Prag begegnet ist. Ich hab ihn, der ja auch als deutscher Kaiser hier im Gebiet das Sagen hatte, ein bisschen in mein Herz geschlossen 🙂

Da der Kaiser auch das Patronat der Gemeinde hatte, wird dies 1401 an das Kloster in Kirchheim im Ries gegeben. 1405 kam dann die noch heute in Essingen ansässige Freiherrenfamilie von Woellwarth ins Spiel, die kurzerhand das Schlossgut Hohenroden samt Land, Mann und Maus kaufen und die Lauterburg verpfändet bekommen.

1480 wird Essingen Marktflecken und die Reformation macht 1538 um Essingen auch keinen Bogen. Der Ort wird evangelisch. Ihr wisst ja bestimmt, der Regent über den Ort bestimmt auch die Religion seines Volkes. Kurz darauf erhält das Adelsgeschlecht von Woellwarth die Blutgerichtsbarkeit vom Kaiser verliehen, oh ohhhh, Schluss mit Lustig.

Der Dreißigjährige Krieg, der mit dem zweiten Fenstersturz aus dem Prager Königspalast sein Unheil nahm (und das war schon ein beklemmendes Gefühl als ich bei unserem Besuch im Königspalast davor stand) ließ auch den schwäbischen Raum nicht aus. Unterschiedlich hart wurden die Orte mit Elend überrollt, so wurden auch 1638 viele Bauern vom Umfeld von den kaiserlichen Soldaten erschossen. Vielleicht aus der Not heraus wurde dann 1696 ein Drittel vom Dorf an ein weiteres Adelsgeschlecht gleich um die Ecke, an die Herren von Degenfeld, verkauft.

Und dann kamen die Württemberger und dank Napoleon eine völlig neue Ordnung. 1802 ging auch Essingen in den Besitz der Württemberger über, das ja dann später zum Königreich wurde.

Unser Weg geht jetzt direkt zum Schlossgarten, nein gehe nicht direkt dorthin, sondern schau dir noch

die Schlossscheune in Essingen

an, leider nur von außen. Ihr wißt ja, Corona 🙁

Das ist nicht etwa nur ne Scheune vom Schloss? Nein, da wurde was ganz Besonderes auf die Beine gestellt – Kleinkunst in der Scheune. Und wenn ihr die Lage am Rand des Schlossparks seht, dann könnt ihr euch das Feeling bei Freiluftveranstaltungen, so wie sie im Remstalgartenschaujahr waren, bestimmt vorstellen.
(An dieser Stelle die Anmerkung, dass die Fotos teilweise von dem Besuch der Remstalgartenschau stammen, teils von unserem aktuellen Besuch.)

Jetzt kommt mit

in den Schlosspark von Essingen

der zentral in der Ortsmitte zu finden ist. Es liegt ja auch nahe, dass ein Schloss eben auch einen Schlosspark braucht. 1555 ließ es der Schlossherr Konrad von Woellwarth-Lauterburg, der ein Jahr zuvor auch eine Dorfordnung erließ, erbauen. Übrigens könnt ihr das Wappen der Adelsfamilie gleich mehrfach in der evangelischen Kirche in Essingen bewundern.

Vier Hektar groß ist der nördlich dem Schloss gelegene Schlosspark, der – ihr werdet es auf den ersten Blick erkennen – einen wunderschönen alten Baumbestand aufweist. An lauschigen Sommertagen sind reichlich Plätzchen im Schatten zu finden.

Alles was die Gemeinde zur Remstalgartenschau 2019 geleistet hat und sich zu diesem Ereignis wirklich, wie viele andere Gemeinden auch, herausgeputzt hat, ist heute immer noch zu bewundern. So gibt es

Skulpturen im Essinger Schlosspark

von verschiedenen Künstlern. Und nicht nur dort. Die Gemeinde nennt es die „Essinger Skulpturenschleife“, die sich auch im Ort ausbreitet und bis hinunter zu den Remsterrassen geht.

Hier im Südwestfernsehen gibt es eine Kunstsendung mit dem geflügelten Satz „Isch des Kunscht, oder koa des weg?“ Hey, natürlich isch des Kunscht, und kunstvolle dazu. Und Interpretationen sind ja immer frei. Ich liebe solche Fotomotive, wie ihr hier unschwer mit den nachfolgenden Fotos erkennen könnt. Euch da jetzt jede einzelne Skulptur zu erklären, würde viel zu weit führen. Ihr könnt das alles ganz bequem selber nachlesen, wenn ihr euch den Flyer dazu anschaut.

Auf den muss ich aber doch näher eingehen …. hey, hallo – dich kenn ich doch 🙂

der Späher im Essinger Schlossgarten

Unverkennbar trägt der Kerl da oben hoch auf seinem Posten die Handschrift seines Erschaffers, der mich in Strümpfelbach und in den Strümpfelbacher Weinbergen auf dem Skulpturenpfad mit seinen Kunstwerken begeistert hat. Karl Ulrich Nuss, der in Strümpfelbach seine Werkstatt hat ist der Erschaffer. Alle bisherigen Werke, die ich von ihm gesehen habe, zeigten menschliche Gestalten, oft verfremdet oder stilisiert. Was der Späher da oben wohl im Blick hat?

Habt ihr schonmal ein Schaf mit Sonnenbrille oder Harlekingewand oder gar mit einem Blumenfell gesehen? Nein? Dann ward ihr doch tatsächlich noch nicht in Essingen, da findet ihr nämlich

die bunte Schafherde im Schlosspark in Essingen

schön eingezäunt, damit den herzigen Tierchen auch nichts passiert. Was ja nicht immer so war, denn 2020 meinten Vandalen, sie müsssten die Tierchen kaputt machen. Eine Aalener Künsterlerin hat mit ihrem Team dafür gesorgt, dass sie wieder im Schlosspark ‚grasen‘ können.

Ja, das ist schon ein herrliches Fleckchen mitten im Ort, an dem man den Trubel der Zeit etwas vergessen kann …

Schlosspark Essingen 2835
Schlosspark Essingen 0127
Schlosspark Essingen 2821

Zum Abschluss darf ein Blick übers Land nicht fehlen. Ich hab euch ja Eingangs geschrieben, dass man fast meinen könnte, vom Ort aus könnte man überwachen, was sich da in der Umgebung tut. Immerhin zieht sich Essingen ab einer Höhe von 425 m ü.NN.

Auf den Remsterrassen in Essingen

könnt ihr diesen Ausblick genießen. Hier habt ihr an der Remshalle (die Gemeindehalle im Ort) auch die Möglichkeit, das Auto zu parken.

Hab ich euch Lust auf diesen kleinen Ort im Ostalbkreis gemacht? Wenn ihr dann schon in der Nähe seid, dann könnt ihr dem Remsursprung auch noch einen Besuch abstatten. Wir haben es einfach nicht mehr geschafft an diesem Tag. In der Umgebung gibt es noch viele weitere interessante Stellen, für die ihr weiter unten Tipps bekommt.

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