Das Unesco-Weltkulturerbe, der Naumburger Dom St. Peter und Paul zählt zu einem der bedeutendsten Kulturdenkmäler des deutschen Mittelalters.
Ich habe den Dom am 1. Weihnachtstag bei unserem Urlaub zwischen den Jahren in Naumburg besucht. Es ist unmöglich, wenn man Interesse an bedeutenden Kulturdenkmäler und Kirchen hat, im Schnelldurchgang durch den Dom zu hasten. Uns wurde ein Aufenthalt von mindestens einer Stunde empfohlen, schlussendlich waren wir gut 2 Stunden im Dom. Vielleicht auch deswegen so lange, weil es mir als Hobbyfotografin nicht möglich ist, an all diesen Schätzen ohne Aufnahmen vorbeizugehen. Und die Fotogebühr, die in fast allen Sehenswürdigkeiten in Sachsen-Anhalt und Leipzig erhoben wurde, finde ich absolut (neben dem Eintrittspreis) gerechtfertigt.
In diesem Beitrag nehme ich euch, nach dem Rundgang im Ostchor mit dem Ostlettner, in das (für mich absolute) Highlight des Doms mit, den Westchor mit seinem Westlettner.
Der Dom, so wie er heute dasteht, entstand im 13. und 14. Jahrhundert. Von den Vorgängerbauten, die mit dem Bau der Kathedrale ab 1028 begonnen wurde, wurden nur die Fundamentteile und die Krypta übernommen. Nachdem die Stadtgeschichte um das Jahr 1000 begann, holte König Konrad II. auf Drängen seiner Söhne 1028 den Bischofssitz von Zeitz nach Naumburg. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts begannen dann die Pläne zu einer größeren baulichen Veränderung.
Während man den Ostchor von beiden Seiten über Steintreppen betreten kann, und der Chor auf den Ostlettner aufgesetzt ist, kann man den Westchor nur durch ein aufwändig gestaltetes Portal betreten.
Ost- und Westlettner grenzen das Langhaus, das den Laien vorbehalten war zu beiden Seiten ein. Als Lettner bezeichnet man in Domen oder Klosterkirchen eine fast raumhohe Schranke. Der Bereich der dadurch vom übrigen Kirchenraum abgetrennt ist, ist den Priestern und Möchen vorbehalten. Beim Westlettner im Naumburger Dom ist es jedoch so, dass dieser keine Schranke zwischen der Geistlichkeit und den Laien darstellt und ist deshalb auch kein Lettner im eigentlichen Sinne. Er wirkt eher wie eine Eingangsfassade zu einem Kirchenbau. Obwohl es eigentlich nur eine Wand ist, führen zwei Spindeltreppen rechts und links vom Chorraum nach oben in eine schmale Brüstung. Über die Nutzung der Lettnerbühne lässt sich nur spekulieren. Vermutlich wurde sie zur feierlichen Präsentation von den kostbaren Reliquien genutzt. Anders der Ostlettner, der das liturgische Zentrum des Doms im Ostchor begrenzte und von dort die Geistlichkeit zu den Laien sprach.
Mich hat der Westlettner in seiner Gestaltung sehr fasziniert. Deshalb gehe ich hier auch etwas näher auf die Darstellung ein. Die Fassade stellt die Leidensgeschichte Christi dar, die in Einzelszenen farbenfroh und lebhaft dargestellt wird.
Die Arbeiten im Westchor und am Westlettner wurden, wie bereits im Ostchor, vom ‚Naumburger Meister‘ ausgeführt. Man sucht seinen Namen vergebens, auch ist seine Biografie nicht überliefert. Es lässt sich nur sein Weg von Frankreich über Mainz nach Naumburg nachverfolgen. Man nannte ihn deshalb den Naumburger Meister. Im Westlettner hat er die Leidensgeschichte Christi in sehr belebten Szenen dargestellt.
Auf der linken Seite des Portals beginnt er mit dem letzten Abendmahl von Jesu mit seinen Jüngern. Den Verräter Judas stellt er isoliert am linken Bildrand dar, uns Besuchern kehrt er den Rücken zu.
Die nächste Szene widmet er der Auszahlung der 30 Silberlingen. Auffallend ist, und ich stand da wirklich sehr lange vor allen Szenen, wie der Bildhauer die Stimmung in den einzelnen Szenen eingefangen und dargestellt hat. Die gebückte Haltung, die Mimik, die Körpersprache – phänomenal!!
Die Gefangennahme Christi ist das dritte Relief auf der linken Seite. Wenn ich mir vorstellen wie im 13. Jh. diese Szenen aus einem großen Block aus Muschelkalk über 30 cm tief herausgearbeitet und bemalt wurden – unglaublich schön.
Die vierte Bildszene zeigt das Thema der Verleugnung des Petrus. Auch hier fängt der Bildhauer das verängstigte Gesicht Petrus ein, als die Magd ihn als einen der Jünger erkannt hatte.
Auf der rechten Seite des Giebels wird das Thema der Verleugnung fortgesetzt. Zwei Kriegsknechte des Hohepriesters, die im Hof beisammen stehend Petrus als einen der Jünger erkennen. „Mensch ich weiß nicht was du sagst (…) Ehe denn der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen (…)“ (Lukas 22,59-62)
Christus vor Pilatus, eine der bekanntesten Szenen der Passion Christi „Ich in unschuldig an dem Blut dieses Gerechten; sehet ihr zu“ (Matthäus 27,24) und wäscht seine Hände symbolisch in Unschuld. Und wieder wurde vortrefflich die Mimik und Gestik dargestellt.
Bei den folgenden beiden Reliefs sind es nicht mehr die Originale aus dem 13. Jh. Vermutlich wurden diese bei einem Brand im 16. Jh. zerstört. Erst Mitte des 18. Jh. wurden hölzerne Repliken für die beiden Szenen geschaffen. Die Geißelung bildet als vorletztes Bild am Lettner den Auftakt zur Hinrichtung Jesu. Den Abschluß der Reliefreihe zeigt die Kreuztragung, tief gebeugt und gefolgt von einer bestürzten Maria.
Den Abschluss bildet die Kreuzigungsgruppe im Lettnerportal.
Jeder Besucher der weiter in den Westchor möchte, muss rechts oder links an dieser Kreuzigungszene vorbei. Jetzt stelle man sich hier die Menschen aus dem 13. Jh. vor, in ihrer Religiosität und mit dieser Darstellung?! Emotional wohl sehr bewegend. Auch wenn ich mich jetzt nicht als ‚tiefgläubig‘ zähle (darüber könnte man mit mir sehr lange, oder auch nicht, diskutieren, wie meine Vorstellung von ‚Glaube‘ ist) – es hat mich tief beeindruckt. Vor allem die Art und Weise der Darstellung, und wie dies zu dieser frühen Zeit so anschaulich umgesetzt wurde. Dieser Bildhauer verdient es wahrlich ‚Meister‘ genannt zu werden.
Die schmerzverzogenen Gesichter Marias und des Lieblingsjüngers Johannes, Christus selbst …. und die beiden Engel über ihm. Weihrauchschwenkend auf die Auferstehung verweisend.
Ja, der Westlettner und der Westchor waren (neben dem Domschatz) die Plätze im Dom, wo wir uns am längsten aufgehalten haben. Tritt man durch das Portal in den Westchor, so fallen als erstes die Fenster des Chores ins Auge. Sie zählen zu den bedeutendsen Glasmalereifenster des Hochmittelalters. Von den fünf Fenstern enthalten drei den größten Teils des Originalbestandes aus dem 13. Jahrhundert.
Jetzt kommt das weitere ‚Highlight‘ im Westchor – die 12 Stifterfiguren. Es sind die wohl bekanntesten Statuen der deutschen Gotik. Aus einer Urkunde von 1249 geht hervor, dass sie die Stifter der rersten Naumburger Bischofskirche waren. Eine Gruppe prominenter Adeliger, acht Männer und vier Frauen, die in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts durch umfangreiche Schenkunden so zum Bau der ersten Naumburger Kathedrale beigetragen haben. Wer jetzt glaubt, dass sie dem Bildhauer Model gestanden haben, täuscht sich. Nur anhand von historisch belegten Details wurden sie vom Bildhauer erschaffen.
Auf die wichtigsten Stifterfiguren gehe ich näher ein, wurde doch eine Figur weltberühmt.
Auf der Nordseite steht gegenüber seinem älteren Bruder Hermann, Ekkehard II. Mit seinem Tod 1046 starb das Geschlecht der Ekkehardiner in männlicher Linie aus. Wie bedeutend dieses Geschlecht war, zeigte sich darin, dass Kaiser Heinrich III. höchstpersönlich an den Beisetzungsfeierlichkeiten in Naumburg teilnahm. Im Gegensatz zu seinem Bruder strahlt Ekkehard Autorität, Reichtum und Würde aus. Neben ihm steht die berühmteste der Stifterfiguren, die als ‚Uta von Naumburg‘ weltberühmt wurde. Dabei weiß man über sie am Wenigsten von allen anderen Stiftern. Fakt war, dass sie die Frau von Ekkehard II. war und allein nur ihre Erscheinung ließ sie weltberühmt werden.
So wie sie als Stifterin im Dom dargestellt wird – den Mantelkragen zu ihrem Gemahl hin hochgeschlagen, so als wolle sie sich von ihm abschirmen, wirkt sie auf mich abgrenzend.
Gegenüber den beiden stehen Hermann und Reglindis. Er und sein Bruder Ekkehard II. waren es, die nach der Ermordung des Vaters Ekkehard I. 1002 durch Übernahme seines Erbes den Grundstein für die Nuwenburch und der späteren Stadt Naumburg legten. Durch die wesentlichen Schenkungen der Adelsfamilie war es möglich, die erste Kathedrale zu errichten und den Bischofssitz von Zeitz nach Naumburg zu verlegen. Im Gegensatz zu seinem Bruder strahlt Hermann eine gewisse Frömmigkeit und hat irgendwie einen verklärten Blick Richtung Altar. Seine Frau Reglindis strahlt dagegen offen ihre Lebensfreude aus. Sie stammt von einem polnischen König ab und hat damit unter den weiblichen Stiftern die vornehmste Rolle.
Insgesamt sieben Jahre hat der „Naumburger Meister“ an dem Westchor bis zu seiner Vollendung 1249 gearbeitet. Eine bedeutendste architektonische Schöpfung aus der Frühgotik im mitteldeutschen Raum. Der Sakralraum mit seinen 25 x 15 Meter hat eine eigene Altarstelle. Das Deckengewölbe wird von einem reich ornamentieren Schlussring bekrönt, dem sogenannten ‚Himmelsloch‘.
Das heutige Chorgestühl stammt aus dem 16.-19. Jahrhundert.
Ich war wirklich tief beeindruckt, und der Besuch des Naumburger Doms ist wirklich sehr empfehlenswert.
Ward ihr mit mir schon im Ostchor, Langhaus, im Kreuzgang und beim Domschatz?
Liebe Ingeborg,
Eine sehr schöne Detailaufnahme.
Mehr braucht man nicht zu sagen, einfach herzlichen Dank.
So viele Informationen, ausführlich.
In der Zukunft alles gute.
Ganz ❤️ Dank!
Auch dir alles Gute.