Das Neustädter Rathaus (Novoměstská radnice), ein Nationales Kulturdenkmal ist an der Nordseite des Karlsplatzes in der Prager Neustadt nicht zu übersehen.

Nachdem wir bei unserem einwöchigen Aufenthalt im Juni 2020 in Prag die Prager Neustadt wirklich sträflich vernachlässigt haben, wollten wir dies in unserem Langzeitaufenthalt im Sept./Oktober 2021 natürlich sofort wieder gutmachen. So ging unser Weg am nächsten Tag nach unserer Ankunft sofort Richtung Neustadt. Ehrlicherweise aber auch mit dem Hintergedanken, um den Besucherströmen in der Stadt an einem Sonntag aus dem Weg zu gehen. Denn das erste Ziel eines Wochenendtouristen in Prag ist die Prager Altstadt und die Prager Burg. Da wir beides schon gesehen haben, lagen diese Ziele also nicht zuoberst auf unserem Besichtigungsplan.

Die einen sagen, ohjeee, da habt ihr aber einen Weg von eurer Wohnung auf Zeit bis zur Neustadt – wir sagen, alles Ansichtssache. Ja, unsere Wohnung lag etwas außerhalb von Prag, und je nachdem wohin wir in Prag wollten, waren wir auch schonmal 40 Minuten mit Bus/S-Bahn oder Metro unterwegs. Aber diese Zeit ging soooo schnell rum, denn es gab auf dem Weg immer etwas Interessantes zu entdecken. Und uns war es wichtig, dass ‚Fridolin‘ ein gutes Plätzchen direkt bei unserer Wohnung hatte. Denn die Suche scheitert bei Innenstadtwohnungen tatsächlich am Parkplatz, sofern man mit Auto anreist. Ihr könnt über diese Erfahrung in meinem Erlebnisbericht 2020 mehr lesen.

Jetzt kommt mit zu

meiner Besichtigung des Neustädter Rathauses am Karlsplatz in Prag

mit der unserer Rundgang durch einen Teil der Neustadt begann. Gleich vorweg – in der Neustadt gibt es sooo viel Interessantes zu besichtigen, dass wir mehrfach in diesen Stadtteil von Prag gefahren sind. Ihr könnt es nicht übersehen, denn der

Turm des Neustädter Rathauses

der in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts gebaut wurde, ist schon sichtbar, noch bevor ihr direkt vor dem Rathaus steht.

Wenn ihr den Turm anschaut, dann ist zumindest bei mir sofort der Gedanke gekommen – da gibt es schon einen Bruder davon. Genau, der ältere Bruder von ihm steht nämlich auf dem Altstädter Ring und gehört zum Altstädter Rathaus, das so einige Jährchen vor dem Neustädter Rathaus gebaut wurde.

Die volle Sicht auf den gesamten Komplex bekommt man erst, wenn man relativ nahe vor dem Rathaus steht. Die Bäume vom Karlspark verdecken etwas die Sicht. Wo sich aber vor dem Altstädter Rathaus hauptsächlich zur vollen Stunde unzählig viele Menschen wegen der Astronomischen Uhr versammeln, bleibt

das Neustädter Rathaus in Prag

weitgehendst ohne große Beachtung. Schade eigentlich, denn ich finde den Bau im Renaissancestil richtig schön.

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Bevor ich euch noch ein paar Detailaufnahmen zeige, gibt’s noch

ein bisschen Geschichte zum Neustädter Rathaus in Prag

die mit der Gründung der Neustadt 1346 begann. Karl IV. war an der Macht und sein Ziel war, Prag zu DER Metropole im Böhmischen Reich zu machen. Mit der bisherigen Altstadt, die von Stadtmauern umsäumt war, und den anderen zwei Stadtteilen, kam er diesem Ziel aber nicht wirklich näher. Denn die platzte irgendwann aus alten Nähten, Bürger siedelten sich schon vor der Altstadt an, und so gründete Karl IV. als jüngsten der vier Stadtteile die Neustadt. Jeder Stadtteil hatte seine eigene Rechtsordnung und war damit selbstständig.

Ein neuer Stadtteil braucht auch ein neues Rathaus. Mit dem wurde 1348 begonnen. Seinen Platz bekam das Gebäude an der Nordseite des Viehmarktes, der heute der Karlsplatz ist. Dieser Platz galt lange Zeit als der größte in Europa. Am Rathaus selber baute man einige Jährchen. Klein fing man mit einem Stockwerk und dem Ostflügel an. In den kamen das Gefängnis und Amtsstuben. 1411 kam dann mit fünf Jahren Bauzeit in Richtung Karlsplatz der Südflügel dazu. In ihm wurden die Repräsentationsräume untergebracht.

Da dieser Bau im Renaissancestil mit spätgotischen Giebeln ausgeführt wurde, bekam der Ostflügel auch einen Umbau in diesem Stil. In diesem Stil wurden dann auch die späteren Umbauarbeiten 1904 ausgeführt. Das Sagen hatten abwechselnd fünf Ratsherren. Ratsherr zu sein, war 1419 aber nicht wirklich lustig, und Prager Fenster sind auch problematisch, vor allem wenn es in Prag so richtig brodelt. Und das war im Juli 1419 der Fall. Vier Jahre davor wurde Jan Hus, ein böhmischer Reformator, beim Konzil von Konstanz auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. War ne richtig fiese Nummer von Sigismund, der ihn unter Versprechungen nach Konstanz gelockt hat, und dann nichts dagegen unternahm, dass er von der Geistlichkeit zum Tode verurteilt wurde. Nur, damit war seine Bewegung und Intention eben nicht erledigt. Anhänger von Jan Hus verlangten am 30. Juli 1419 die Freilassung einiger im Neustädter Rathaus gefangen gehaltenen Glaubensbrüder. Diesem Verlangen kam die Verwaltung aber in keinster Weise nach. Ziemlich in Rage stürmten die Hussiten das Rathaus, um dann eben gewaltsam ihre Glaubensgenossen zu befreien.

Der Erste Prager Fenstersturz

war die Folge. Zehn Personen flogen durch ein Fenster des Neustädter Rathauses – der Bürgermeister, zwei Ratsherren, ein stellvertretender Richter, fünf von den Gemeindeälteren und ein Knecht. Die aufgebrachte Menge wartete vor dem Rathaus, unter den Kleidern verborgen hatten sie Hiebwaffen dabei. Mit denen töteten sie die aus dem Fenster geworfenen Herrschaften. Für König Wenzel ging dieses Spektakel allerdings auch nicht gut aus. Der regte sich derart über diese Aktion auf, dass er einen Schlafanfall bekam und daran am 16. August 1419 verstarb. Naja, so ganz unschuldig war Wenzel an diesem Vorfall aber auch nicht. Nach seinem Tod kam sein Bruder Sigismund an die Macht. Ja, genau DER, der Jan Hus in Konstanz ans Messer lieferte. Logisch, dass die Hussiten damit nun gar nicht klar kamen, und ihn nicht als König anerkennen wollten. Der Hussitenkrieg begann. Heiligs Blechle, da gings ab. Ich erspar euch hier die Einzelheiten. Jedenfalls ging es bis 1435 nicht friedlich zwischen den Hussiten und und den kaiserlichen und päpstlichen Truppen zu. In endlosen Verhandlungen kam man dann 1435 zu einem Ergebnis, unter dem man Sigismund in Böhmen als König anerkennen konnte.

Aber auch in den Folgejahren ging es nicht nur friedlich zu. 1784 war dann Ende mit vier eigenständigen Stadtteilen. Sie wurden zu einem Prag zusammengeschlossen und zukünftig wurden im Altstädter Rathaus die Entscheidungen getroffen.

Bevor ich mir den Turm näher anschaue, gibt es

ein paar Detailaufnahmen vom Neustädter Rathaus in Prag

das natürlich heute, am Sonntag geschlossen war. Die historischen Innenräume werden zu Veranstaltungen genutzt.

Auf dem ca. 70 Meter hohen

Turm des Neustädter Rathauses in Prag

könnt ihr den Blick über die Stadt genießen. Bis ihr oben seid, dürft ihr aber 221 Stufen überwältigen, einen Aufzug gibt es hier nicht. Wir haben angesichts dieses Sportprogramms verzichtet. Hatten wir doch noch sooo viele Punkte auf dem Plan, wo wir ebenso einen herrlichen Blick über die „Goldene Stadt“ hatten.

1452 kam der Turm zum Rathaus, wo er dann aber 1559 beim Stadtbrand auch nicht glimpflich davon kam. Im Turm soll sich eine jetzt barocke Kapelle befinden, die der Hl. Maria und dem Hl. Wenzel geweiht ist. Vielleicht steht sie auf eurem Besichtigungsplan?

Übrigens, genauso wie im Altstädter Rathaus finden auch im Neustädter Rathaus Hochzeiten statt. Nur so als Info … falls ihr ein außergewöhnliches Örtchen sucht 😉

Jetzt zogen meine Blick den schmucken Kerl an, der da ein großes Denkmal vor dem Rathaus hat. Zumal dann auch noch vier Damen fragten, ob wir sie mit dem Herr fotografieren können. Wer ist er?

Das Vítězslav Hálek-Denkmal vor dem Neustädter Rathaus in Prag

Es fiel mir in Prag und Umgebung verstärkt auf, dass es en masse Denkmäler gibt. Sei es an Hauswänden oder freistehend. So groß wie das hier ist nicht jedes, aber als Treiber einer aufblühenden tschechischen Literatur, da darf es schon mal größer sein. Bekannt wurde er durch Erzählungen und Novellen, die, realistisch beschrieben, alles aufnahmen was in Prag und auf dem Dorf passierte. Dorfklatsch könnte man es auch salopp nennen. Er war aber auch als Journalist nicht arbeitslos mit seinen vielen Berichten. 1835 wurde er geboren, und verstarb 1874 in Prag.

Diesen herrlichenBrunnen könnt ihr nicht übersehen

der St. Joseph Brunnen vor dem Neustädter Rathaus in Prag

Mathias Wenzel Jäckel, ein sorbischer Bildhauer schuf den herrlichen Barockbrunnen 1698. Ihm werdet ihr in Prag noch weiteren Werken von ihm begegnen.

War klar, gell, dass ich an diesem Brunnen nicht einfach so vorbeigehen kann 🙂

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