Große Klinkerhäuser in einem Weltkulturerbe-Viertel – dann befindet man sich im Kontorhausviertel in Hamburg, mit seinem wohl bekanntesten Kontorhaus, dem Chilehaus.

Tag 2 in Hamburg gehört ganz der Innenstadt – liegt ja alles nicht so weit auseinander. Ja, das ist auch tatsächlich so, aber es gibt eben auch in der Innenstadt soooo vieles zu besichtigen, dass es ganz schnell ein bisschen mehr sein darf 🙂 Aber deshalb einen weiteren Tag dort verbummeln, wo doch noch so viel auf unserem Zettel steht? Neeee, geht auch nicht. Nach ausführlicher Besichtigung des Hamburger Rathauses, der St. Petri Kirche, ein kurzer Bummel durch die Mönckebergstrasse und durchs Levantehaus standen wir nach der Besichtigung der Hauptkirche St. Jacobi auf der Steinstraße.

Ein kurzer Blick auf den Stadtplan – hey, einmal umdrehen und wir sind ja schon am Chilehaus! Denn tatsächlich beginnt das Kontorhausviertel auf der anderen Straßenseite. Die Entscheidung war aber wie beim Blümchen rupfen – machen wir weiter mit unseren Besichtigungen, oder brechen wir ab? Denn unsere Hoffnung, dass während unserer Kirchenbesichtung der Wettergott die Wasserhähne wieder zudreht, hat sich leider nicht erfüllt. Aus dem anfänglichen leichten Nieselregen wurde mehr. Da wir mit dem Motto ‚allen unnötigen Balast daheim lassen‘ unterwegs sind, lag der kleine Regenschirm daheim im Hotelzimmer. Aber ganz ehrlich, nie im Leben hätten wir bei dem herrlichen Sonnenschein, bei dem wir das Hotel verlassen hatten, gedacht, dass sich die Schleusen öffnen.

Augen zu und durch, Kapuze über den Kopf und weiter geht es. Wir sind ja nicht aus Zucker. Und so standen wir eine Straße weiter auf dem Burchardplatz, der eigentlich ein toller Standort für Fotos auf die Kontorhäuser geben könnte. Könnte! Wären da nicht die vielen Autos auf dem viel zu kleinen Parkplatz. Alles ein bisschen eng hier. Trotzdem,

mein kleiner Bummel durchs Kontorhausviertel in Hamburg beginnt

mit dem Blick auf den

Sprinkenhof in Hamburg

Drei Bauabschnitte hat es ab 1927 benötigt, bis das neunstöckige Kontorhaus 1943 fertiggestellt werden konnte. Ursprünglich sollten über 100 Wohnungen in dem damals größten Bürokomplex mit untergebracht werden. Tja, sollte – diese Planung wurde nicht umgesetzt. Dafür aber die erste Tiefgarage von Hamburg unter dem Gebäude.

Wenn ihr besseres Wetter habt, dann könnt ihr drei Innenhöfe in diesem großen Komplex bewundern. Wir haben verzichtet, der Regen wurde mittlerweile stärker. Einen langen Blick bekam aber die Fassade des Klinkerbaus, den Ornamente mit Symbolen von Handel und Handwerk zieren.

Sprinkenhof Hamburg Kontorhausviertel 7300
Sprinkenhof Hamburg Kontorhausviertel 7294

Direkt gegenüber befindet sich der

Mohlenhof im Kontorhausviertel in Hamburg

1927/28 wurde es nach den Plänen dreier Architekten eigentlich ganz einfach gebaut – keine Verzierungen an der Fassade, einfach nur glatte Klinker ohne SchnickSchnack. Hingucker (ich hab mich aus der Ferne mit dem Blick zufrieden gegeben, was man von mir ja sooo nicht kennt 😀 ) am Haupteingang ist der riesengroße Merkur, der römische Gott des Handels. Er passt doch hervorragend in ein Büroviertel, in dem Handel betrieben wird.

Mohlenhof Hamburg Kontorhausviertel 7303

Bereits 495 v.Chr. weihten die Römer ihm einen Tempel und die erste Zunft der Kaufleute entstand. Hier am Mohlenhof trägt er eine Kogge (ein Handelsschiff) auf seinen Schultern. In der Hand hält er die Hammonia, die die Stadt Hamburg symbolisiert. Auf Reliefs zu beiden Seiten werden die fünf Weltkontinente dargestellt.

Bevor wir zu unserem Ziel kommen, gibt es

ein bisschen Geschichte zur Entstehung des Kontorhausviertels in Hamburg

bei der es, wie bei der Entstehung der Mönckebergstraße, ins 17. Jahrhundert zurück geht. Damals waren diese Bereiche in der Altstadt eng bebaut mit vielen schmalen Gassen, kleinen Wegen und Fleeten (kleine Wasserläufe) – das sogenannte Gängeviertel. Beim großen Stadtbrand 1842 wurden viele Wohnungen in der Innenstadt ein Raub der Flammen, was zur Folge hatte, dass man noch enger zusammenrückte.

Was uns heute mit Corona in Atem hält, war es zu dieser Zeit die Cholera. Hatte Hamburg zwar in vielen Jahren mit kleineren Ausbrüchen zu tun, erwischte es Hamburg aber 1892 so richtig heftig. Der Sommer war heißt, die Elbe stand niedrig, Trinkwasser holte man sich aus der dann warmen Elbe – eine Filteranlage war Wunschdenken. Es kam wie es kommen musste, die erste Person kam im August 1892 ins Krankenhaus und verstarb, kurz darauf weitere Personen.

Man sah es anfangs als nicht sooooo schlimm, denn Salmonellen gibt es doch jedes Jahr. Ehrlich, ich bekomme gerade schon Gänsehaut – wir nennen es heute Corona, aber die Verhaltensweisen ähneln sich. Erst als die Zahl der Erkrankten exponentiell anstieg und Ende August schon 455 Tote zu beklagen waren, kam Unruhe auf. Manche Menschen verließen freiwillig die Stadt, denn die engen Wohnverhältnisse beschleunigten natürlich die Ausbreitung der Seuche. Robert Koch, der um Hilfe gerufen wurde soll gesagt haben „[…] Ich vergesse, dass ich mich in Europa befinde.“

Da half nur eines, diese beengten Wohnviertel, die Gängeviertel, mussten weg – die Menschen umgesiedelt werden. Die Mönckebergstraße entstand. Da Hamburg sich im Handel immer weiter entwickelte, hatte der damalige Baudirektor die Idee ein komplettes Zentrum nur mit Kontorhäusern zu schaffen. Das Kontorhausviertel entstand.

Im Stil des Backsteinexpressionismus, eine typische Bauweise für die 20er Jahre in Deutschland, entstanden bis zu zehn Stockwerke hohe Bürogebäude. Hauptsächlich im Norden Deutschlands oder im rheinisch-westfälischen Industriegebiet wurde dieser Baustil umgesetzt.

Schon 2005 stand ich mit meiner Tochter in diesem Viertel, damals halt noch ein – wenn auch ein sehr bekanntes – Kontorhausviertel. Am 5. Juli 2015 wurden die großen Klinkerbauten rund um den Burchardplatz dann zum UNESCO-Weltkulturerbe (genauso wie die Speicherstadt, die einen guten Steinwurf entfernt ist).

Das bekannteste Gebäude in diesem Viertel ist

das Chilehaus in Hamburg

eines der ersten Hochhäuser in Hamburg damals. Naja, so wie die anderen Gebäude eben auch, könnte man sich im ersten Moment denken. Wäre da nicht die besondere Form, die dieses Gebäude aufweist. Aber um so ein Gebäude zu erstellen, braucht man auch ein bisschen Kleingeld auf der Seite. Kein Problem für den Bauherrn Henry B. Sloman, der zu dieser Zeit als einer der reichsten Männer Hamburgs zählte. Allerdings konnte dieses neue Gebäude nicht mehr, wie es in der Hansestadt so üblich war, den Namen des Bauherrn bekommen. Denn da gab es bereits schon ein Kontorhaus am Baumwall. Was lag für einen Namen näher als sich darauf zu beziehen, womit Sloman sein Geld verdiente? Mit dem Salpeterhandel aus Chile. Der Name war gewählt – es wurde das Chilehaus.

Wer bezahlt bestimmt, und der Bauherr hatte eine ganz genaue Vorstellung welche Gesamtfläche sein neues Kontorhaus haben sollte. In die Breite ging nicht auf dieser kleinen Fläche, also ging man einfach in die Höhe – zehn Stockwerke hoch musste es werden. Ziemlich wuchtig das Ganze in dem kleinen Viertel. Um dies abzuschwächen, gestaltete man die oberen Stockwerke ganz einfach als Staffelstockwerke. Etwas ganz besonderes musste das neue Haus werden, und das wurde es dann auch. Ab 1922 waren mehrere tausend Handwerker damit beschäftigt, mit so rund 4,8 Millionen Ziegelsteinen dieses Haus zu erstellen und die Ostspitze zu einem Schiffsbug zu formen.

Kein Wunder setzte sich von allen Kontorhäuser im Viertel, das Chilehaus an die Spitze mit ‚das muss ich gesehen haben‘. Da wir aber von Norden auf das Gebäude zugegangen sind, gibt es erstmal die Ansichten von dieser Seite. Bissle Spannung muss ja sein 🙂 Aber auch das ist schon sehr beeindruckend.

Während in den großen Kontorhäusern die Mitarbeiter von über 700 Unternehmen arbeiten, kann man es sich zwischen den Backsteinbauten gemütlich machen. Viele Restaurants und Cafés laden zu einem kurzen Verweil ein, Geschäfte bieten ihre Waren an. Das aber nicht nur in den Straßen, sondern auch in den Innenhöfen, so wie auch hier im Chilehaus.

Und dann standen wir vor dieser berühmten Bugspitze. Ja, das hat schon was …

Ein Schiffsbug braucht auch eine Gallionsfigur, so wie es beim Museumsschiff an den Landungsbrücken Rickmer Rickmers ist, so gehört ER zu Chile einfach dazu – der Andenkondor.
Links und rechts von ihm zieren Plastiken den Bug, typisch als Verzierung für die Kontorhäuser

Dem Kontorhausviertel hätte ich eigentlich noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Aber der Wettergott hatte immer noch die Regenschleusen geöffnet, ‚Emma‘ weigerte sich, mit ihrem Objektiv in den Regen zu schauen … und was machen wir jetzt?

Ein letzter Blick galt noch dem

Meßberghof im Kontorhausviertel in Hamburg

in dem im Erdgeschoss ein Schokomuseum untergebracht ist. Auch dieses Gebäude ist denkmalgeschützt und beschließt das Viertel zur Willy-Brandt-Straße im Süden. In zwei Jahren Bauszeit wurde es ab 1922 erbaut und damals nach dem kurz zuvor verstorbenen Reeder Albert Ballin benannt. Unter dessen Leitung ist die HAPAG damals zur weltgrößten Reederei aufgestiegen. Zu Zeiten des Nationalsozialismus ging es aber gar nicht, dass ein Kontorhaus den Namen eines Mannes trug, der jüdischer Abstammung war. Kurzerhand wurde das Gebäude nach der Straße umbenannt in der es stand.

Auch hier lohnt sich ein Blick zur Fassadengestaltung, die 1996 von Lothar Fischer geschaffen wurden und sich „Enigma-Variationen“ nennt. Die ursprünglichen Figuren dürfen heute im Keller ihr Dasein fristen. Obwohl wir Schoki lieben, haben wir auf einen Besuch im Museum verzichtet.

Ab jetzt bricht das Hardcore bei unseren Städtetouren durch. Wenn wir doch schon in dem Viertel sind …..
Mein Kopf und meine Beine haben intensiv miteinander verhandelt, aber irgendwie müssen wir ja wieder zurückkommen. Soll ich jetzt sagen, zum Glück haben unserer beider Augen die fast vor uns liegende U-Bahn Station übersehen 😀
Denn jetzt begann unser neues Städtespiel – Bäumehüpfen 😀 😀  Denn der Regen kam immer noch, sogar noch ein bisschen stärker vom Himmel.

Also nix wie über die Straße zum Dovenfleet, der mit Bäumen mit dichten ausladenden Baumkronen beschmückt ist. Unser Ziel war die nächste Hauptkirche von Hamburg, St. Katharinen (die dritte Kirche an diesem Tag 🙂 ), vielleicht lässt ja der Regen dann nach.
Unser Bäume-hüpfen-Spiel begann, nein eher meins 😀 Ich zeig euch jetzt kein Foto davon, aber mein Mann konnte sich manchmal über mein inneres Kind nicht das Grinsen verkneifen.

Hüpft ihr mit zur St. Katharinen Kirche?

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