Venezianischer Barock vom Feinsten – das bietet die Kirche Santa Maria Assunta, kurz „Gesuiti“ genannt, am Campo dei Gesuiti im Norden von Venedig.

Ganz früh am Vormittag ging es mit dem Vaporetto hinüber auf die Laguneninsel Burano, kein tagefüllendes Besichtigungsprogramm. Also zurück, am Fondamente Nove, der ersten Haltestelle im Norden von Venedig aussteigen, und den nordöstlichen Teil von Cannaregio besichtigen. ‚Nichts muss, aber alles kann‘ – so war unser Leitsatz in unseren vier Wochen in Venedig, denn trotz aller Besichtigungen sollte ja noch Raum fürs treiben lassen dabei sein. Zwar haben wir unsere Tagestouren gut vorbereitet, um nicht am Ende doch an einer Sehenswürdigkeit vorbei zu laufen, aber immer mit der Flexiblität der Änderung 😉

Man darf auch nicht vergessen, im Süden gibt es Mittagspause. Aber auch nicht jeder macht sie – bedeutet im Klartext: jeder macht was er will, auch die Kirchen. Auch die Zeitspanne einer Mittagspause ist so dehnbar wie ein Hosengummi. Und manchmal hat eine Kirche auch ganz geschlossen. Dieses Los kennen wir bereits von unseren Langzeitstädtereisen nach Prag und Florenz.

Kommt jetzt mit zu

meiner Besichtigung der Kirche Santa Maria Assunta „Gesuiti“ in Venedig

die man an der prachtvollen barocken

Außenfassade der Kirche Gesuiti in Venedig

bereits gut ausmachen kann. Man kann sie eh nicht verfehlen, wenn man mit dem Vaporetto in diesen Zipfel von Venedig fährt. Man geht einfach von der Haltestelle Fondamente Nove A die nächste große Straße rein. Das ‚A‘ ist wichtig, denn diese Haupthaltestelle, von ihr geht es auf die Inseln, bietet auch noch ein B, C und D.

An dieser Außenfassade waren mehrere Künstler beteiligt, aber nur einer hat sie entworfen – Domenico Rossi.

Wer war Domenico Rossi?

Domenico Rossi, 1657 in der Schweiz geboren, lebte ab seinem 8. Lebensjahr in Venedig. Dort erlernte er den Beruf des Steinmetzes und hatte das Glück, beim Architekt der berühmten Kirche Santa Maria della Salute, Baldassare Longhena, zu lernen.

Können und gute Beziehungen brachten ihm den Auftrag einer der wichtigsten Kirchen in Venedig ein, der Kirche San Stae im Sestiere Santa Croce. 1710 wurde er mit der Kirche Santa Maria Assunta beauftragt. Nebenbei arbeitete er an mehreren Palazzi und Kirchen.

Unbeobachtet kommt hier keiner an der Kirche vorbei – die 12 Apostel sind an der Kirchenfront dargestellt.

Ganz oben die Himmelfahrt Mariens, die von betenden Engel begleitet wird.

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Während ich jetzt eine offene Kirchentüre suche, bekommt ihr

ein bisschen Baugeschichte zur Kirche Santa Maria Assunta, oder I Gesuiti, in Venedig

Hier stand bereits in frühen Jahren schon eine Kirche. So um 1150 ist es gewesen, als die damalige Kirche S. Maria dei Crociferi für den Kreuzritterorden errichtet wurde. Dieser Orden hatte das Ziel, kranke Pilger und Kreuzritter zu beherbergen und zu pflegen. Papst Alexander III. hat den Hospitalorden 1160 offiziell anerkannt. Aber so ein Orden hatte unmöglich die Mittel dazu, eine Kirche und ein Hospital zu errichten. Als Sponsor stellte sich die Familie Gussoni zur Verfügung. Nach einem Brand 1214 wurde die Kirche wieder aufgebaut, jetzt auch mit Unterstützung eines Dogen. Ja, die Finanzspritzen der Dogen von Venedig hielten auch in der Folgezeit an, nicht so aber der Orden. Disziplinlosigkeit wurde dem Kreuzritterorden nachgesagt. Schlussendlich sprach der Papst ein Machtwort, löste den Orden auf, und der Komplex wurde 1657 an die Jesuiten verkauft.

Die brauchten zu dieser Zeit eine neue Bleibe in Venedig, da sie 1606 die Lagunenstadt verlassen mussten. Zwar mussten sie für das neue Quartier ihrem damaligen Sestiere Dorsoduro tschüss sagen, aber Hauptsache eine neue Bleibe in Venedig. Auch der Jesuitenorden, der sich durch Ignatius von Loyola zusammenfand, setzte sich für die Armen und Kranken ein. Ein Teil ihrer Aufgabe bestand jedoch auch darin, jungen Menschen eine Bildung zukommen zu lassen. Und – sie hatten ein Faible für die Barockkunst.

Die alte italienische Adelsfamilie Manin unterstützte den Wunsch der Jesuiten nach einer größeren Bleibe finanziell. Die alte Kirche wurde abgerissen, und ab 1715 entstand ein Neubau im Barockstil. 1728 konnte die Kirche geweiht werden.

1773 wurde durch den Papst auf Druck der Könige von Frankreich, Spanien und Portugal der Jesuitenorden verboten. Man war dem Orden nicht wohl gesonnen – es wurde ihnen nachgesagt, dass sie Intrigen spinnen und hinter zahlreichen Verschwörungen stecken sollen. Schluss mit Lustig war es dann nach einem Mordanschlag auf König Heinrich IV., der von einem Jesuitenschüler verübt worden sein soll. Schlussendlich führte eben alles in Summe zur Aufhebung. Das Kloster wurde zunächst zur Schule, und dann 1808 eine Kaserne für die Truppen von Napoleon. 1844 konnten die Jesuiten aber wieder in einen Teil ihres Domizils zurückkehren, da der Papst 1814 die Aufhebung wieder zurücknahm.

So sehr ich die Türe auch anschaute, sie blieb verschlossen. Da half auch alles Blinzeln nicht, und mit Blick auf die Uhr merkten wir – Mittagspause! Was für ein Pech, denn

die Innenbesichtigung der Kirche I Gesuiti in Venedig

hätte ich gerne vorgenommen. Ich war wirklich neugierig, was sich hinter einer solchen prachtvollen Barockfassade zeigt. Vermutlich auch Barock vom Feinsten? Irgendwie fällt die Kirche ja doch aus dem üblichen Erscheinungsbild der Kirchen von Venedig, naja, zumindest äußerlich.

Ich habe Innenfotos der Kirche gesehen, und würde sie eher als elegant ausgestattet einordnen. Also nix mit vielen Barockengelchen und so. Der Grundriss der Kirche hat ein Kreuz und hat je Seite drei Kapellen. Ein Dogengrab gibt es in der Kirche ebenso zu bewundern, wie ca. 20 Gemälde von Jacopo Palma il Giovane. Er hat sich in seinem Stil etwas an Tintoretto orientiert, dessen Hauptwerke man in der Kirche Madonna dell‘ Orto weiter nördlich bewundern kann.

Aber auch Tintoretto ist mit Werken in der Kirche vertreten. Und wir haben uns die Kirche auf unseren ‚müssen wir noch sehen-Zettel‘ gesetzt – für einen nächsten Besuch in Venedig 🙂

Ergänzung 29.12.2023
Ja, ihr Lieben, man braucht einfach ein bisschen Geduld 😊
Entgegen unseren sonstigen Gewohnheiten wurden wir bei Venedig ganz schnell zu Wiederholungstätern. Wir haben Weihnachten und den Jahreswechsel 2023/24 in der Lagunenstadt verbracht. Bei einem Bummel durch Cannaregio war uns das Glück hold, und die Kirchentüre war geöffnet.

So kommt ihr jetzt in den Genuss, die Kirche auch von innen zu sehen. Für diese Innenbesichtigung gibt es einen eigenen Bericht in meinem Reise- und Fotoblog, denn sie ist im Inneren wirklich sehr sehenswert.

Beim Blick über den

Campo dei Gesuiti in Venedig

spürt man ganz deutlich – in diesem Viertel der Stadt herrscht Ruhe vor vielen Touristen. Einheimische sitzen zu einem Schwatz beisammen … so liebe ich die Winkel einer Stadt.

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Cannaregio ist in weiten Teilen ein Wohnviertel, aber auch der Sitz von vielen Handwerkerbetrieben. So waren auch am Campo dei Gesuiti viele Zünfte beheimatet, z.B. die Küfer, Böttcher, Schneider, Seidenweber oder Gerber. Manche mussten das Feld räumen, um Platz für den Kirchen- und Klosterbau zu machen.

So gut wie auf jedem Campo (Platz), ob groß oder klein, steht in Venedig ein Brunnen. Die meisten sind aber nicht mehr intakt, oder sie haben sich jetzt im Herbst schon in den Winterschlaf begeben. Nicht alle Brunnen verlangen eine verstärkte Aufmerksamkeit, aber dem hier auf dem Campo darf man dann doch einen Blick schenken. Bereits im 18. Jahrhundert wurde der sechseckige Brunnen auf ein kleines Podest mit Stufen gestellt.

Ich musste mich in diesen vier Wochen in Venedig damit anfreunden, dass die Menschen auf allen möglichen Plätzen ein Plätzchen zum ausruhen suchen. Sei es an Brunnen, Treppen vor Gebäuden, manchmal sogar auf Brücken (obwohl das in Venedig nicht erlaubt ist) – menno, liebe Leute, soooo kann meine Emma doch nicht arbeiten 😉

Nennt es Neugierde, dass ich auf das

Ex-Conventi dei Gesuiti in Venedig

zugelaufen bin, und zielstrebig meine Nase in eine offene Türe gesteckt habe. „Da kannst doch nicht hinein“ rief mir mein Mann noch zu. Zu spät! Wenn mich schon keiner in die Kirche lässt, dann schau ich halt hier. 😀 😀

Wow, ich war begeistert, was man hinter ehemaligen Klostermauern zaubern konnte. Hier ist ein Hostel vom Feinsten untergebracht (wir haben es uns vorgemerkt für einen Kurzurlaub). Da uns niemand aufhielt, war klar, dass wir uns auch die Klosterinnenhöfe anschauen ….

Diese Funde sind die Besten 🙂
Ein kleines Café im letzten Winkel des ehemaligen Klosters – mit einer kleinen Terrasse am Rio dei Gesuiti. Glück muss der Mensch haben, mein Herz hüpfte vor Freude, als wir noch einen freien Tisch entdeckten. Das sind so Plätze wo man mich absetzen, und Stunden später wieder abholen kann 😀 Ihr wisst ja, Wasserkind!

Wahnsinn was ich da in kurzer Zeit beobachten konnte:
Wenn jemand in Venedig abgeholt werden möchte, dann passiert das nicht wie bei uns – ich komm mit dem Auto, und hol dich an Straße xy ab. Nein, in Venedig und auf den Inseln (außer auf dem Lido, hier sind Autos erlaubt) kommt man mit dem Boot und holt einen an den kleinen Gassen, die direkt am Kanal enden, ab. Ich war viel zu sehr im Schauen, dass ich ganz vergessen habe, diese Aktion im Foto festzuhalten. Erst Kind ins Boot, dann Hund ins Boot, dann die Einkaufstaschen der Frau und dann die Frau. 

An gleicher Stelle legten kurze Zeit später zwei Boote an – Umzugsunternehmen in Venedig. Immer wieder in der Stadt haben wir Boote gesehen, vollbepackt mit Kartons, Möbel und anderem Hausrat. Ganz ehrlich! Ich habe da keinen einzigen Helfer um diesen Job beneidet. Bedeutet es doch auch, man kann vielleicht direkt am Kanal einladen, man kann bzw. muss auch wieder irgendwo ausladen. Aber dann geht es möglicherweise noch weiter durch die Gassen zum Wohnhaus. Die Männer dieses Unternehmens haben dann auch die ‚Spione‘ vorgeschickt um zu sehen, wo müssen wir denn hin. Mehrere Sackkarren auf dem Boot deuten darauf hin: die wissen was Sache ist. 

Ich hab einen Heidenrespekt vor den Menschen die in Venedig leben und arbeiten. Also nicht im Büro arbeiten, sondern solche Gewerke wie Post, Lieferanten, Müllmänner und -frauen und viele mehr dergleichen. Alles, aber auch wirklich alles geht mit Menschenkraft auf Karren in die einzelnen Gassen und Geschäfte. Der Müll wird per Handwagen abgeholt – entweder hängt der Müllsack schon vor der Türe, oder man klingelt – wird dann zu Sammelstellen am Kanal gebracht, dort entladen und dann geht es weiter. 

Alles was sich an Ware durch die Kanäle von Venedig bewegt, wird im Industriehafen aber erstmal auf die Boote geladen. So ein ums andere Mal dachte ich bei den aufgestapelten Paketbooten, hoffentlich fällt da nichts ins Wasser 🤨🙈🙈

Ganz klar spielt sich auch die Arbeit von Polizei, Krankenwagen und Feuerwehr auch auf dem Wasser ab. Ihr werdet ihnen in anderen Berichten auf meinem Blog noch in weiteren Fotos begegnen. Am Anfang dachte ich, waaaas mit so einem kleinen Boot wollen die löschen? Tja, es gibt keine größeren Feuerwehrboote in Venedig 🤷‍♀️

Zum Anschauen alles schön, auch wie die Wäsche über dem Kanal flattert (ich hab in der ganzen Zeit kein Wäscheteil schwimmen sehen 😉 ) – aber auf Dauer dort leben?

Es fiel mir echt schwer, ich hätte noch stundenlang hier sitzen können, aber irgendwann hieß es Abflug. Der Wasservogel hat es uns ja vorgemacht wie es geht 😉

Weiter geht es Richtung Kirche Madonna dell‘ Orto. Kommt ihr mit?

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