Die Scuola Grande della Misericordia im Sestiere Cannaregio in Venedig ist das zweite Gebäude der Bruderschaft der Barmherzigkeit.

Für unsere vier Wochen in Venedig habe ich mir das Ziel gesetzt, natürlich neben den vielen anderen Besichtigungen, dass wir alle sechs (oder waren es doch sieben?) Scuole Grande, die in Venedig noch zu besichtigen sind, aufsuchen. Zwei davon haben es uns nicht einfach gemacht – eine Scuole war für Veranstaltungen eine Weile geschlossen, die Öffnung haben wir gerade noch vor unserer Rückreise geschafft. Die Scuole Grande della Misericordia hat uns ebenfalls zwei Besuche abverlangt, um dieses große Gebäude im Inneren sehen zu können.

Bei unserer ersten Besichtigungsrunde vom Fondamente Nove bis hinüber zur Chiesa Madonna dell‘ Orto, blieb die Scuola genauso verschlossen wie die Kirche Santa Maria Assunta Gesuiti. Auch die kleine Kirche der Scuola, die Kirche Santa Maria della Misericordia (in ihr hat übrigens Bastian Schweinsteiger geheiratet) ließ uns ebenfalls vor verschlossenen Türen stehen. Mittlerweile trage ich dieses Los mit Fassung, es passiert uns ständig auf unseren Städte- und Besichtigungstouren. Entweder sind die Türen wegen der Mittagspause geschlossen, oder sind überhaupt keine Besichtigungen möglich. Manchmal suchen wir die Kirche noch einmal gezielt auf, oder wir kommen eher zufällig nochmal bei einer anderen Runde an ihr vorbei. Oder es soll einfach nicht sein.

Zunächst war es bei der Kirche Santa Maria della Misericordia und der Scuola Vecchia della Misericordia auch so, die nur eine Brücke entfernt von dem neuen großen Gebäude der Scuola stehen. Und … juchuuuu … bei dieser zweiten Runde war die Kirchentüre offen, die Scuola Vecchia ist nicht zu besichtigen. Über 

die Kirche Santa Maria della Misiericordia in Venedig

könnt ihr euch in einem anderen Bericht ausführlich informieren und einen kleinen Blick in die Kirche werfen. Hier begann alles mit der Bruderschaft und der alten Scuola …

Kommt jetzt mit, wie es mit der Bruderschaft weiterging, zu

meiner Besichtigung der Scuola Grande della Misericordia in Venedig

die von drei Kanälen eingegrenzt wird. Direkt am Rio della Misericordia liegt die Eingangsfront der Scuola, die Seite mit dem kleinen Gehweg hinüber zur Kirche grenzt an den Rio della Guerra, und die Rückseite des Gebäudes liegt an dem kleinen Rio della Sensa. Es lohnt sich übrigens immer in Venedig, an den kleinen Kanälen entlang zu gehen, sofern natürlich kleine Gehwege dort sind 😍 – man entdeckt Venedig abseits der Touristenströme.

Die Außenansicht der Scuola Grande della Misericordia in Venedig

präsentiert euch in meinen Fotos alle drei Ansichten.

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Euch ein Foto mit der Eingangsfront zu zeigen, war mir unmöglich. Ständig lief mir jemand ins Bild, der in die Scuola wollte, und das hatte heute auch einen besonderen Grund – die Scuola zeigte eine Ausstellung im Rahmen der Biennale, die zu der Zeit in Venedig stattfand. Ich habs gelassen, das müsst ihr euch dann eben selber vor Ort anschauen 😉

Bevor ich euch in das große Gebäude mitnehme, gibt es

ein bisschen Geschichte zur Scuola Grande della Misericordia in Vendig

Die geht dort weiter, wo es mit der Scuola Vecchia endet – mit der feierlichen Prozession, in der 1589 die Kostbarkeiten der Bruderschaft über die Brücke hinüber ins neue Gebäude gebracht wurden.

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Bevor diese Prozession in Gang kommt, ein Blick zurück, als auf der Insel Valverde (der Sestiere Cannaregio setzt sich aus 33 kleine Inselchen zusammen) 936 eine Abtei gegründet wurde. Welchem Orden diese Gründung zugeschrieben werden kann? Ich hab keine Ahnung, auf jedenfall waren sie damals vermutlich die einzigen Bewohner der kleinen Insel.

1308 gründete Fra Pietro Civrano die Bruderschaft der Barmherzigkeit, die in der Scuola Vecchia della Misericordia ihre Heimat fand. Es kam die Zeit als auch die Pest in Venedig die Menschen heimraffte, auch die Brüder des Ordens wurden nicht verschont. Kurz vor seinem Tod übergab der letzte Prior an Luca Moro die Verwaltung des Ordens. 1497 beschloss der Orden einen neuen Hauptsitz zu bauen. Die alte Scuola, die 1386 errichtet wurde, bereits dreimal umgebaut war, und als Hospiz geführt wurde, war einfach zu klein. Von der Planung bis zur Umsetzung des Baus vergingen aber einige Jahre. Ab 1532 war der Architekt Jacopo Sansovino für den wuchtigen Neubau verantwortlich.

Wer war Jacopo Sansovino?

Der Bildhauer und Architekt der Renaissance wurde am 2. Juli 1486 in Florenz geboren und lernte in der Werkstatt von Andrea Sansovino. Giorgio Vasari, in Florenz kein Unbekannter erkannte die Fähigkeiten von Andrea Sansovino. Sein Schüler Jacopo nahm später seinen Familienname an, der 1506 nach Rom berufen wurde, wo er einigen Größen seiner Kunst kennenlernte. Als Bildhauer und Restaurator arbeitete er in Rom, bis er 1511 wieder nach Florenz zurückkehrte. Die Statue des Hl. Jakobus an der Außenfassade des Florentiner Doms war eine wichtige Arbeit von ihm.

1515 führte er Arbeiten für die Medici aus, und ging sogar in einen Wettbewerb gegen Michelangelo. Die Basilica di San Lorenzo sollte noch eine Fassade bekommen, die hat sie aber bis heute nicht, denn Michelangelo führte die Arbeiten auch nicht mehr aus. Nach verschiedenen Aufträgen in Rom blieb er auf einer Reise nach Frankreich nach einem Zwischenstopp in Venedig hängen. Dort erhielt er 1527 vom Dogen von Venedig den Auftrag zur Restaurierung der Hauptkuppel vom Markusdom, später wurde er oberster Baumeister des Doms. Überhaupt hinterließ er am Markusplatz in Venedig die Spuren seiner Arbeit. Freundschaften ermöglichten ihm Zugang zum venezianischen Patriziat. Am 27. November 1570 verstarb er in Venedig und war bis dahin einflussreichste und und der am höchsten angesehenste Architekt und Bildhauer von Venedig.

1583 war dieser Bau dann endlich fertig. Da die alte Scuola nun leer stand, wurde sie zu zunächst zu einem Krankenhaus, später wurde sie zur Heimat der Seidenweber-Zunft. Zeitweise wurde sie auch als Theater genutzt. Die Kirche dient heute für Veranstaltungen.

Bis 1806 gab es die Scuola, zu diesem Zeitpunkt hat Napoleon zahlreiche Kirchen, Klöster und Bruderschaften – auch in Venedig – verboten. Da der Bruderschaft die finanziellen Mittel fehlten, ist sie auch heute noch nicht vollständig. Tja, da ist es halt nicht immer von Vorteil, wenn man sehr groß denken will. Immerhin steht dieser Bau in den Ausmaßen nur wenig hinter dem Großen Saal im Dogenpalast nach – und der ist riesig, glaubt es mir. In der Folge wurde das große Gebäude zu einem Militärlager, das nicht nur bei der französischen Besetzung diente, sondern auch als Österreich Venedig besetzte.

Die Scuola Grande wurde dann bis 1991 als Basketball-Sporthalle genutzt, bis sie jetzt für Veranstaltungen eine Verwendung findet – so im Rahmen der Biennale, die zu unserer Zeit zum 59. Mal in Venedig stattfand. Und mit der beginne ich jetzt meinen Rundgang im Inneren der Scuola.

Die Biennale-Ausstellung 2022 in der Scuola Grande della Misericordia in Venedig

Im Erdgeschoss dominierte das Thema Stoff. Nachhaltig und fantasievoll bedruckt. In dem beeindruckend großen Saal von 21 x 49 Meter Ausmaß lässt sich da schon einiges unterbringen.

Man merkt dem Raum deutlich an, dass zur Ausschmückung die finanziellen Mittel gefehlt haben mussten. Einzig auf dem Weg nach oben fielen mir die Säulen mit den schönen Kapitellen auf. Vielleicht erwartet mich ja nach dem Weg nach oben mehr in der Ausgestaltung der Scuola?

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Das Obergeschoss in der Scuola Grande della Misericordia in Venedig

übertrumpft das Erdgeschoss in der Länge um gut einen Meter. Aber was ist schon ein Meter bei Ausmaßen von 49,15 Meter in der Länge und knapp 21 Meter in der Breite? 12,50 Meter sind die beiden Geschosse in der Höhe. Man merkt bei diesem Bau, dass sich die Bruderschaften – vor allem die sechs Großen, in denen sich wohlhabende Mitglieder auch ein rühmendes Denkmal setzen wollten – einen Wettkampf in Größer und Schöner liefern wollten. Auch wenn diese Scuola wirklich ein gigantisches Ausmaß aufbietet, so groß ist keine andere Scuola, tja, was nützt es, wenn dann die finanziellen Mittel fehlen um sie auszuschmücken. An die Innenschätze der Scuola Grande di San Rocco kommt in Venedig nicht so schnell einer ran.

Ist das Erdgeschoss noch mit Säulen durchbrochen – schließlich muss ja das Obergeschoss getragen werden – so kommt dieser große Saal komplett ohne irgendeinen Trenner aus. Auch ohne Renovierung und Restaurierung ging es nicht.

Wunderschön sind

die Fresken im Kapitelsaal der Scuola Grande della Misericordia

die man leider aber durch die Ausstellung nicht komplett sehen konnte. Im 17. Jahrhundert wurden die Wände bemalt, u.a. auch vom Sohn Jacopo Tintoretto, Domenico Tintoretto. Die Zwölf Propheten zeigen sich u.a. an den Wänden.

Auch im ersten Stockwerk hat eine

Biennale-Ausstellung 2022 im Obergeschoss der Scuola Grande della Misericordia

ihren Raum gefunden. Der Saal bietet sich ja dafür genial gut an. Abgetrennt durch schwarze große Tücher kommen die Kunstwerke zur Geltung.

Okay, über Kunst lässt sich bekanntermaßen diskutieren. Ich fang mit solch einer Diskussion erst gar nicht an – wir im Schwäbischen haben eine Fernsehsendung „Isch des Kunscht – oder koa des weg?“ Ich hab in der Zeit meiner kleinen Schlaganfälle, vor allem während meiner längeren Reha, auch begonnen zu malen. So ein ums andere Mal dachte ich mir: da könnten deine Werke auch hängen 😉

Nein, jetzt ganz im Ernst – mir gefällt moderne Kunst.

Nach einem Blick aus dem Fenster – hinüber zur Kirche Madonna dell‘ Orto und der Alten Scuola haben wir damit unseren Besuch für beendet erklärt.

Ich kommt bestimmt noch mit auf unsere anderen Besichtigungen, oder?

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blick von scuola grande della misericordia zum rio della sensa venedig 3255

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