Eine der kleinsten und schönsten Landeshauptstädte in Deutschland darf sich Erfurt nennen – mitten in Deutschland als Landeshauptstadt von Thüringen.
Am 2. Weihnachtsfeiertag stand Erfurt während unseres Weihnachtsurlaubs im südlichen Sachsen-Anhalt auf dem Besichtigungsplan. Fridolin haben wir gut im Parkhaus am Dom untergebracht, während wir ausgiebig die Stadt erkunden. 742 wurde Erfurt durch Bonifatius (einer der bekanntesten Missionare und wichtigsten Kirchenreformer im Frankenreich) urkundlich erwähnt, damals schon als Großsiedlung. Die Stadt entwickelte sich schon kurz danach zum Zentrum des Thüringer Raums und hatte bereits im Mittelalter ein hohes Maß an Autonomie. Mit der gewaltsamen Unterwerfung durch die Mainzer änderte sich dies aber 1664 und 1802 (mit Ausnahme von 1806-1814) wurde Erfurt ein Teil Preußens und blieb es bis 1945. Dank eines Gründungsprivilegs von 1379 kann sich die Universität von Erfurt als die älteste Uni in Deutschland nennen. Martin Luther war der bekannteste Student.
Und damit beginnt der 2. Teil meines Stadtrundgangs. Ward ihr im ersten Teil auch dabei? Nein? – Hier könnt ihr den Stadtrundgang Teil 1 nachholen.
Aber jetzt stehen wir vor dem
Inhaltsverzeichnis
Collegium Maius
der alten Universität Erfurts. In der Michaelisstraße lässt sich das „Lateinische Viertel“ begutachten.
Nach einer Zerstörung wurde Mitte des 16. Jahrhunderts das Gebäude mit dem kunstvollen Kielbogenportal wieder aufgebaut. Das Gebäude wurde jedoch 1945 bis auf die Grundmauern zerstört und 1983 anlässlich des 500. Geburtstages von Martin Luther neu aufgebaut. Das Portal am „Haus zur Großen Arche Noah und Engelsburg“ sticht besonders ins Auge.
Die
Michaelisstraße
wird auch als „Steinere Chronik der Stadt“ bezeichnet. Den Beinamen erhielt die Straße wegen der Vielzahl der historischen und stadtgeschichtlich bedeutenden Bauwerken. Diese stammen oft noch aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Wir haben uns etwas länger in dieser Straße aufgehalten, gibt es doch wirklich einige sehenswerte Häuser zu bewundern, wie z.B. das Haus zum Schwarzen Horn, in dem im 15./16. Jh. eine Druckerei untergebracht war. Unter anderem wurde hier das erste Rechenbuch von Adam Ries gedruckt.
Den Namen hat die Straße von der
Michaeliskirche
die auf eine Stiftung des Johannes Bonemilch von Laasphe zurückgeht. Er hat als Erfurter Weihbischof 1507 im Dom Martin Luther zum Priester geweiht und war mehrfach auch Rektor der Universität. Die Geschichte der Kirche geht bis ins 12. Jahrhundert zurück.
Wie wir bei unserem Stadtrundgang (außer beim Dom und der St. Severikirche) mehrfach feststellen durften – der 2. Weihnachtstag ist kein guter Tag für Kirchenbesichtigungen. Die meisten waren nämlich geschlossen.
An der Gabelung der Augustinerstraße zur Comthurgasse standen wir kurz ratlos da. Sollen wir da wirklich entlang, oder direkt an der Gera entlang weiter? Wir haben uns dann doch entschlossen, die Straße entlang zu gehen, bis zum
Augustinerkloster
1277 wurde von den Augustiner-Eremiten mit dem Bau der Augustinerkirche und dem Kloster begonnen. In der Folge erlebte das Kloster aufregende Jahre – zerstört, aufgebaut, umfunktioniert und restauriert. Martin Luther trat am 17. Juli 1505 als berühmter Augustinermönch dem Kloster bei, welches heute noch mit einer Dauerausstellung ihm gedenkt.
Eine Besichtigung wäre sicher interessant gewesen, denn die Farbglasfenster der Kirche zählen zu den ältesten in Erfurt und stammen aus den Jahren 1310 und 1330. Aber auch das Innere der Kirche weist einige Sehenswürdigkeiten aus. Für uns hieß es ‚Kirche geschlossen‘.
Aber der Blick durch die Absperrung blieb uns.
Bevor es dann aber tatsächlich in die Comthurgasse weiterging, stand uns noch der
Nikolaikirchturm
im Weg. Ehemals war die Nikolaikirche eine Pfarrkirche im Norden der Altstadt von Erfurt. 1013 wurde sie erstmals urkundlich erwähnt. Nachdem sie bei einem Brand 1744 schwer beschädigt worden ist, wurde sie 1747 abgerissen und durch keinen weiteren Kirchenbau ersetzt. Übrig blieb nur der Turm der Kirche, 1360/61 errichtet. Im Erdgeschoss befindet sich die Elisabthkapelle, die zu den ältesten und wertvollsten Kunst- und Kulturobjekten Erfurts zählt. Heute – ihr ahnt es – geschlossen.
Bevor es jetzt aber
an der Gera
entlang geht – ein Blick zurück zu stattlichen und schnuggeligen Häusern der Comthurgasse. Und dann der Gera entlang zu Erfurts Highlight.
Schon von weitem ließ sich anhand der Menschenströme erkennen – wir sind da. Waren wir davor so gut wie allein in den Straßen unterwegs (jetzt wussten wir auch warum), so haben sich alle Touristen wohl hier versammelt – an der
Krämerbrücke
Das bekannteste Wahrzeichen der Stadt, denn die Krämerbrücke ist eine beidseitige geschlossene Brückenbebauung mit Fachwerkhäusern. Damit zählt die 120 Meter lange Brücke zu den längsten durchgehend mit Häusern bebaute Brücke Europas.
Erstmals erwähnt wurde sie, ursprünglich als Holzbrücke errichtet, im Jahr 1156. Sie war ein Teil des west-östlichen Handelsweges Via Regia, und schon damals haben Händler links und rechts der Brücke ihre Verkaufsbuden aufgestellt. Nach wiederholten Bränden erwarb sich 1293 der Rat zu Erfurt alle Brückenrechte von den Klöstern um eine steinerne Brücke errichten zu können, die 1325 mit noch unbewohnten Fachwerkbuden fertiggestellt war.
An den beiden Brückenköpfen wurden Kirchen mit Tordruchfahrten errichtet – im Osten die Ägidienkirche und im Westen die Benediktikirche, die aber im 19. Jh. abgebrochen wurde.
Nach unseren Erfahrungen mit geschlossenen Kirchen an diesem Tag haben wir uns den Weg zur Ädigienkirche erspart.
Mittlerweile haben 32 wunderschön renovierte Fachwerkhäuser auf der Brücke Platz gefunden (ursprünglich waren es einmal 62).
Endlich – endlich gab es auch, mit viel Glück allerdings ob der vielen Gleichgesinnten, die heißersehnte Kaffeepause. Und so gestärkt ging es dann an den Rückweg zum Domplatz. Denn es standen ja noch die Dombesichtigung und die Kirche St. Severi auf dem Plan. Ehrlicherweise muss ich anmerken, wir haben abgekürzt und ein paar weitere Sehenswürdigkeiten ausgelassen. Deshalb geht es jetzt ohne Umweg direkt zur
Predigerkirche
Die erste Erwähnung von Predigerbrüdern in Erfurt stammt aus den Jahr 1229. Vier hochgebildete Mönce des Pariser Konventes waren auf dem Weg nach Erfurt, um die neuen Ideen des Dominicus (der Gründer des Dominikanerordens) zu verbreiten und predigten bis zur Fertigstellung ihrer Kirche auf den Plätzen und anderen Kirchen der Stadt. Vom Papst hatten sie verbriefte Rechte, die ihnen die Dienste der Pfarrgeistlichen erlaubte.
Die Weihe der ersten Kirche wird dem Jahr 1238 zugeschrieben, die ersten Klostergebäude wurden 1230 geweiht.
Immerhin war es in dieser Kirche möglich, wenigstens durch eine Glaswand getrennt einen Blick in das Kircheninnere zu werfen.
Die Glocke der Predigerkirche befindet sich im gegenüberliegenden
Paulsturm
Ursprunglich gehörte der Turm zur 1181 erstmals erwähnten Paulskirche. Entstanden ist er zwischen 1465 und 1469.
Zwei Kirchen nebeneinander wurden nach der Einführung der Reformation 1525 überflüssig – die Paulskirche wurde nur noch wenig genutzt. Die große Kirche des Predigerklosters, die Predigerkirche war fortan die Pfarrkirche. Nach einem Brand 1736, der die Kirche schwer zerstörte, wurde sie 1759 abgerissen. Der Turm blieb erhalten, sein oberer Teil im frühklassizistischen Stil entstand ab 1738.
Lasst euch noch mit ein paar Eindrücken faszinieren, bevor unser Stadtrundgang wieder auf dem Domplatz endet.
Kommt ihr noch mit in den Erfurter Dom und die St. Severikirche? Es lohnt sich!
Vielleicht habe ich euch mit meinen Eindrücken Lust gemacht, die Stadt selber zu erkunden. Und wenn ihr euch jetzt fragt – hmm, hat sie nicht etwas ausgelassen? Ja, richtig haben wir. Und zwar die Zitadelle auf dem Petersberg. Ehrlicherweise war irgendwann am Nachmittag die Luft raus, schließlich war das ja auch volles Programm an einem Tag. Aber irgendwann kommen wir wieder nach Erfurt – und dann holen wir all das nach, was wir an diesem Tag aus Zeitgründen auslassen mussten.