Einer der ältesten Campanile von Venedig gehört zur Kirche San Geremia e Lucia im Stadtviertel Cannaregio der Lagunenstadt Venedig.

Bereits am ersten Tag unserer vier Wochen in Venedig war mir klar – hier wimmelt es nur so von Kirchen. Schon vor unserer Ankunft haben wir uns über eine Internet-Plattform einen Museums- und Kirchenpass für die Stadt besorgt. Für den Schnäppchenpreis von 50 € hatten wir damit Einlass in 17 bedeutende Kirchen der Stadt, 13 Museen kommen noch dazu. Kann man nicht meckern, gell? Nicht vergleichbar mit anderen Städten, wo wir bisher so einen Kombipass noch nicht entdeckt hatten. Da wir unseren Pass erst noch abholen mussten, standen heute die Choruspass-freien Kirchen auf dem Zettel. Den Anfang hat bereits die Kirche Santa Maria di Nazareth oder S. Maria degli Scalzi, kurz auch Scalzikirche genannt, direkt neben dem Bahnhof gelegen gemacht.

In der Hoffnung heute am Sonntag etwas aus dem Menschengetümmel zu kommen, sind wir die kleine Straße Lista di Spagna weiter – unser Ziel – die Kirche San Geremia. Mit Hoffnung auf weniger Menschen war da aber nichts. Ist die kleine Gasse doch der direkte Weg für Menschen per Fuß, die vom Sestiere (Stadtteil) Cannaregio mit ihren Koffern dem Bahnhof oder der Piazzale Roma, dem Busbahnhof, zustreben. Gegen den Strom zu laufen war anstrengend genug, deshalb bekam meine ‚Emma‘ in dieser Gasse Arbeitsverbot. Ich will ja schließlich keine Menschen auf meinen Fotos.

Die kleine Gasse, voll mit Touristen- und Essenslädelchen ist nach der spanischen Botschaft benannt, die im Palazzo Zeno untergebracht war, und endet in der Weite des

Campo San Geremia in Venedig

Ihr könnt euch schon denken, wer dem Platz den Namen gab? Richtig! Die große Kuppelkirche, die – bis auf einen schmales Gässchen – die ganze Länge des Platzes einnimmt. Was lag in der Nähe der spanischen Botschaft näher, als diesen großen Platz für Stierkämpfe zu nützen. Und egal wie groß in Venedig ein Campo (Platz) ist, ein Brunnen darf nie fehlen.

Jetzt kommt mit zu

meiner Besichtigung der Kirche San Geremia e Luzia in Venedig

die wie immer, mit der

Außenansicht der Kirche San Geremia in Venedig

beginnt. Es war gar nicht einfach die Kirchenfront ohne Menschen abzulichten. Der Campo war ein beliebter Treffpunkt verschiedener Stadtführungen – heute am Sonntag sowieso – und überall standen die Grüppchen auf dem Platz. Selbst die Kirchenstufen zum Haupteingang wurden von Menschen für eine Pause besetzt. Seufz, in dem Moment wusste ich noch nicht, dass mich dieses Verhalten in unseren ganzen vier Wochen in Venedig begleiten würde.

Bei dem Anblick der Fassade kann man noch nicht ahnen, was den Besucher im Inneren der Kirche erwartet. Denn der rechte Teil der Kirche ist durch ein Gebäude verdeckt. Außerdem sieht sie doch recht schlicht aus – ein krasser Gegensatz zur davor besichtigten Scalzi-Kirche mit ihrem reichhaltigen Barockschmuck. Einzig die zwei hohen korinthischen Säulen lassen erahnen- Eingang in eine Kirche.

Denn selbst

der Campanile der Kirche San Geremia e Lucia in Venedig

aus dem 12. Jahrhundert, und damit einer der ältesten seiner Art in Venedig, steht verdeckt da. 43 Meter ist er hoch und im romanischen Baustil errichtet.

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Auf dem Weg in die Kirche bekommt ihr noch

ein bisschen Baugeschichte zur Kirche San Geremia e Lucia in Venedig

Man sagt, dass der erste Kirchenbau bis ins 9. Jahrhundert zurück geht. Der Hl. Magnus von Oderzo und Eraclea, ein italienischer Bischof, soll da seine Hände mit im Spiel gehabt haben. Als seine Diözese in Oderzo von den Langobarden erobert wurde, flüchtete der Bischof auf eine kleine Laguneninsel bei Venedig. Er gründete dort die Stadt Eraclea (heute gehört die Stadt zum Festland). Der erste Doge Venedigs wurde wohl dort in der Stadt geboren. Ruhig ging es in dem Städtchen nicht zu, schlussendlich war die Stadt nicht mehr Dogensitz, und verlor damit an Bedeutung. Magnus errichtete in dieser Zeit acht Kirchen in Venedig – ihr werdet sie in meinen Berichten kennenlernen.

Jetzt sagen die einen in Google, dass diese Kirche, die dem Propheten Jeremias geweiht ist, nicht zu diesen acht Kirchen gehöre, die anderen sagen – sehr wohl gehört sie das. Ob das jetzt soooo wichtig ist? Auf jeden Fall soll im 11. Jahrhundert eine Kirche von Mauro Tosello und seinem Sohn gegründet worden sein, die hier den aus Apulien mitgebrachten Arm des Hl. Bartholomäus aufbewahrten.  Der 39. Doge von Venedig Sebastiano Ziani veranlasste 1174 den Bau der Kirche, erlebte aber 1292 die Kirchenweihe nicht mehr. Sein Sohn Pietro ließ als 42. Doge die sterblichen Überreste des Hl. Magnus am 6.10.1206 nach San Geremia überführen.

Man weiß ja schon – keine Kirche ist für die Ewigkeit gebaut, egal welche Kirche ich schon besichtigt habe. Sei es, dass sie zerstört und neu aufgebaut werden musste, oder dass sie zu klein geworden ist und nach einer Vergrößerung rief. So wie die Kirche heute zu sehen ist, wurde 1754 mit dem Bau begonnen. Der italienische Priester und Architekt Carlo Corbellini hat sie entworfen. 1760 konnte die Kirche geweiht werden.

Die Kuppel kam allerdings erst so um 1828 dazu. So, genug mit trockener Vergangenheit – kommt mit zu

meiner Innenbesichtigung der Kirche San Geremia e Lucia in Venedig

Die Kirche kann man ohne Eintrittsgeld besichtigen, an der sehr netten, aber doch resoluten Dame am Eingangstisch kommt aber kaum jemand ohne Belehrung vorbei – KEINE FOTOS!

Heiligs Blechle – unser schwäbischer Ausdruck höchster Bewunderung, aber auch tiefer Enttäuschung kam mir über die Lippen. Denn das Innere der Kirche war schon sehr ungewöhnlich, das habe ich auf den ersten Blick gesehen. Fragen kostet ja nichts – in Florenz, Prag und in Kolin hat sich dadurch schon so manche Fotoerlaubnis ergeben – aber hier musste ich meine Anfrage per Mail an die Pfarrgemeinde stellen. Aus der Erfahrung einer mehrfachen Anfrage bei einer Kirche in Florenz, weckte diese Antwort keinen Begeisterungssturm in mir. Zum anderen hatte ich ja noch viele Ziele auf dem Zettel. Ich frag mich ja bei diesen Verboten immer wieder, warum dieses Verbot. Dass ohne Blitz fotografiert werden muss, versteht sich von selbst, und wenn Fotos für gewerbliche Zwecke verwendet werden, verstehe ich solch ein Untersagen ebenfalls – aber bei einem Hobbyblog? Ist doch nur Werbung für die Kirche?

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Wenn ich ein „Fotografieren verboten“ Schild in einer Kirche sehe, dann halte ich mich daran. Auch wenn ich reihenweise gezückte Handys gesehen habe. Aber ein Foto habe ich dann doch gemacht –  damit ihr euch den ungewöhnlichen Grundriss der Kirche vorstellen könnt.

Und für den Rest? Tja, da müsst ihr jetzt entweder eure Vorstellungskraft walten lassen – oder nach Venedig fahren. Ich würde euch eindeutig das Letztere empfehlen 🙂

Von außen, vom Campo San Geremia sieht die Kirche gar nicht so monumental aus, wie sie dann im Inneren zu sehen ist. Corbellini hat der Kirche die Form eines griechischen Kreuzes gegeben. Das große Hauptschiff im klassizistischen Stil wirkt nüchtern und karg an Ausstattung. Vermutlich so gewollt? Denn damit wirken die insgesamt acht Seitenaltäre mit ihren Altarbildern um so mehr.

Der Hochaltar in der Kirche San Geremia e Lucia in Venedig

er steht leicht erhöht, ist mit einer Statue dem Hl. Jeremias, dem Namensgeber der Kirche, gewidmet. Damit er da nicht so allein am Altar steht, hat er Petrus dabei.

Vier Eckkapellen schmücken die Kirche. Aber eine der Hauptpersonen der Kirche zieht die Gläubigen an.

Die Kapelle der Hl. Lucia in der Kirche San Geremia e Lucia in Venedig

„Licia Vergine di Siracusa in questo tempio riposa. All’Italia e al Mondo ispiri luce e pace.“
In diesem Tempel ruht die Jungfrau Lucia von Syracus. Sie bringe Italien und der Welt Licht und Frieden.

Die sterblichen Überreste der am meisten verehrten Heiligen der Christenheit ruhen hier in der Kirche San Geremia.

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Der Venezianer Gaetano Rossi war für diesen Altar verantwortlich, der vergoldet ist und mit Brokat aus Verona geschmückt ist. Papst Johannes XXIII. hat 1955 angeordnet, das Gesicht der Heiligen Lucia mit einer silbernen Maske zu bedecken, damit sie vor Staub geschützt ist.

Eigentlich wurden die Reliquien ja bis 1861 in der damaligen Kirche Santa Lucia aufbewahrt. Für den Bau des gleichnamigen Bahnhofs fiel die Kirche dann aber dem Abrisskommando zum Opfer. Mit dem Baumaterial ‚ihrer‘ Kirche wurde dann 1863 in der Kirche San Geremia die Kapelle errichtet, die Reliquien dorthin überführt, und die Kirche erhielt den Zusatz Chiesa San Geremia e Lucia. Wer auch immer das tut, und warum wird keiner verstehen – 1981 wurden die sterblichen Überreste von Dieben geraubt. Man fand sie aber im gleichen Jahr und konnte sie wieder in die Kapelle zurückbringen.

Aus dem Leben der Hl. Lucia aus Syrakus

Ihr kennt den Brauch vermutlich, vor allem in Schweden und anderen Nordländern wird ihrer am 13. Dezember gedacht. Mit einem Kerzenkranz um den Kopf wird die „Leuchtende“ geehrt. Auch in Italien wird die in Siracusa auf Sizilien geborene Heilige hochverehrt. Ihr Leben begann als Tochter einer vornehmen und reichen Familie. Der Vater verstarb sehr früh, und wie es halt so Brauch war, wird man verheiratet. Dieses Ansinnen hatte auch die Mutter im Kopf, machte aber die Rechnung ohne ihre Tochter. Eine Wandlung in diesem Geschehen gab es, als Lucia mit ihrer erkrankten Mutter eine Wallfahrt zum Grab der Hl. Agatha unternahm.

Die Mutter wurde geheilt und wurde ebenso wie es die Tochter schon war, Christin. Nix war es mehr mit verheiratet werden. Lucia gründete eine Amen- und Krankenstation, die von der geheilten Mutter in ihrem Tun unterstützt wurde. Es wird berichtet, dass Lucia des Nachts heimlich Lebensmittel in die Verstecke der Armen brachte. Damit sie den Weg fand, setzte sie sich einen Lichterkranz auf den Kopf.

Die Rache eines Mannes, den sie nicht heiraten wollte – das besiegelte ihr weiteres Schicksal. Gefesselt wollte man sie ins Dirnenhaus bringen lassen. Aber nicht einmal 1000 Männer konnten sie von der Stelle bewegen. Schlussendlich durchbohrte man ihre Kehle mit einem Schwert – aber immer noch betete sie weiter. Erst als ihr der Bischof die Kommunion gereicht hatte, verstarb Lucia. In einem wunderschönen Gemälde ist diese Szene in der Kirche Santa Maria di Nazareth nur wenige hundert Meter entfernt dargestellt. Aber wie es immer so ist, es ranken sich viele Legenden darum, wie Lucia wirklich zu Tode gekommen ist.
Viele betende Menschen haben sich hier in der Kirche um den gläsernen Sarg der Heiligen versammelt. 

Ein letzter Blick zurück und durch die Weite dieser Kuppelkirche, bevor ich wieder auf dem Campo San Geremia stand.

Ein Blick auf die Kirche San Geremia e Lucia von der Ponte degli Scalzi (Salzi-Brücke) in Venedig

sollte man sich nicht entgehen lassen. Überhaupt ist es interessant auf einer der vier Hauptbrücken über den Canal Grande das Geschehen der Boote zu beobachten.

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Man sollte unbedingt auch 

die Außenfront der Kirche San Geremia e Lucia vom Canale Cannaregio in Venedig

anschauen. Für mich als Wasserkind war es jeden Tag das Highlight schlechthin an den Kanälen der Stadt entlangzulaufen. Der Canale Cannaregio ist einer der wenigen Hauptkanäle der Lagunenstadt, neben dem Canal Grande. Laut hupend machen die Vaporetti auf sich aufmerksam, die auf ihren Wasserbus-Linien vom Canal Grande in den Kanal abbiegen.

Genau an dieser Wasserecke habe ich IHN getroffen – meinen Lieblingsheiligen.

Der Hl. Nepomuk am Canale Cannaregio in Venedig

Ich hab ihn tatsächlich erst auf den zweiten Blick erkannt, vermutlich tut es ihm nicht so gut, so nah am Wasser zu stehen. Dieser ‚Wasserplatz‘ ist aber bewusst von den Venezianern so ausgewählt, ist der Hl. Nepomuk doch der Schutzpatron der Schiffer und Brücken, und soll gegen Wassergefahren helfen.

So richtig ins Herz habe ich ihn bei unseren Reisen nach Prag geschlossen. Gilt er doch auch als Schutzpatron von Böhmen und hat in Prag studiert. Seine ‚Karriere‘ startete er 1369 als kaiserlicher Notar in der erzbischöflichen Gerichtskanzlei in Prag. 1380 wurde er dann zum Priester geweiht und bekam 1387 die Doktorwürde in Jura. Als Generalvikar des Erzbischofs von Prag setzte sich Johannes Nepomuk für die Rechte der Kirche gegenüber dem König ein. Was vom Volk dankend angenommen wurde, war König Wenzel IV. ein Dorn im Auge. Auseinandersetzungen blieben nicht aus. Als der König außer Landes war, trieb der Erzbischof durch Nepomuk eine Wahl an, von der er wusste, dass der König wegen seiner Abwesenheit nicht dagegen reagieren konnte.

Damit wars dann beim König endgültig vorbei. Da der Erzbischof außer Landes floh, wurde Nepomuk für ihn verhaftet und gefoltert. Zwar traf es auch noch andere erzbischöfliche Beamter, als ranghöchster bezahlte aber Nepomuk für sie mit dem Leben. Die damalige Todesstrafe war ertränken in der Moldau, durch den Sturz von der Karlsbrücke.

Hartnäckig hält sich aber auch eine andere Version seines Todes. Er verlor deshalb sein Leben, weil er als Beichtvater der Königin dem König nicht die Sünden seiner Gemahlin verraten wollte. In sehr vielen Altarbildern findet sich diese Legende wieder. Allerdings wird auch behauptet, er wäre nie der Beichtvater der Königin gewesen. Wie auch immer – man kann sich die für sich passende Legende aussuchen.

Karlsbrücke in PragDer Hl. Nepomuk wird meist mit fünf Sternen um sein Haupt dargestellt. Die bedeuten „tacui“ – „ich habe geschwiegen“ – und sollen auf eine Erscheinung der Königin zurückgehen. Diese fünf Sterne sollen dann über dem Fundort der Leiche zu sehen gewesen sein, und so konnte man diese aus der Moldau bergen. In Prag auf der Karlsbrücke ist mit einem Relief die Stelle markiert, an der Nepomuk in die Moldau geworfen wurde. Und im Veitsdom in Prag kann man sein prachtvolles Grab besuchen.

Ich kann euch nicht sagen, wann ich ihn zu meinem Lieblingsheiligen erkoren habe – er begegnet mir sehr sehr oft auf meinen Reisen und Besichtigungen. Und jetzt steht ‚mein Mukl‘, der 1721 erst selig und 1729 dann heilig gesprochen wurde, hier an der Ecke vom Canal Grande. Der arme Kerl tat mir fast leid, muss er doch tagtäglich das laute Gehupe der Vaporetti (Wasserbusse) ertragen.

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Und wir setzen dann mal unseren Bummel durch das Stadtviertel Cannaregio fort 🙂

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