An der Via Francigena, einem der längsten Pilgerwege Europas, liegt in der Nähe von Siena und Monteriggioni mitten im Wald die alte Einsiedelei San Leonardo al Lago (Eremo di San Leonardo al Lago).

Heute stand als Startpunkt unserer Besichtungstour die ca. 50 km von unserer Ferienwohnung gelegene Einsiedelei San Leonardo al Lago auf dem Zettel. Ich kann euch nicht mehr genau sagen, warum ich bei meiner Tourenplanung genau diese Eremitage ausgesucht habe. Gibt es doch in der Toskana an allen Ecken alte Kirchen und Einsiedeleien zu besichtigen. Vor allem auch der Via Francigena geschuldet, der Pilgerweg, der von England bis hinunter nach Rom führt, und an dem unsere Wohnung auf Zeit in diesem Langzeiturlaub lag.

Entfernungen sind in der Toskana sehr großzügig in der Fahrzeit zu berechnen. Deshalb haben wir zu Beginn des Tages bei vielen Besichtigungspunkten immer das entfernteste Ziel angesteuert, und uns dann rückwärts zu unserer Unterkunft gearbeitet. Gefühlt könnte man in der Toskana an jeder Ecke anhalten. Sei es zum Fotografieren, denn der Wechsel der Landschaft ist in der mittleren Toskana einfach atemberaubend schön. Oder weil man eines der unzähligen Hügelstädtchen erspät. Ganz zu schweigen von den unzählig vielen alten Kirchen. Nein, die alle anzusteuern war dann selbst mir zuviel.

Ich erwähnte sie ja bereits – die Straßen in der Toskana, die meist auf 50 oder 60 km/h begrenzt waren. Im Laufe unserer fünf Wochen habe ich mich dann auch nicht gewundert, wie kleine Sträßchen in der Toskana aussehen können 🙈 In meiner Heimat können wir auch mit kleinen Passsträßchen aufwarten, auf denen man tunlichst nicht zu schnell unterwegs sein sollte.

Aber heute, am zweiten Tag unserer Ausflüge hielt ich dann doch mal kurzfristig minimal die Luft an, als ein Wegweiser gebot, von der Hauptstraße abzubiegen. Ich bin relativ unerschrocken was solche Sträßchen angeht. Ich liebe Kurven- und Bergfahrten (mit denen ich mich sowohl in der nördlichen, als auch in der mittleren Toskana reichlich austoben konnte), und auch Passstraßen finde ich spannend. Ich erinnere mich (heute aber mit sehr viel Respekt) an Fahrten, die alleine 2009/2010 auf Mallorca unternommen habe. Auch da stand u.a. eine Einsiedelei auf meinem Zettel – Heiligs Blechle. Ich habe gefühlt die gesamte Bergstrecke wegen den vielen uneinsehbaren Kurven gehupt, aber das Ziel hat mich für alles entschädigt. 😍

Auf dem Weg zur Einsiedelei San Leonardo al Lago in der Toskana

geht es nicht ganz so spektakulär zu. Aber über Gegenverkehr hätte ich mich dann doch nicht gefreut, denn vor allem das letzte Stück Fahrt hat es doch ein bisschen in sich. Auch durch die Bauarbeiten, die seitlich des engen ‚Sträßchens‘ stattfanden.

Begleitet mich ein Stück des Weges, der sich über ein paar Kilometer durch den Wald nach oben zieht. Und entschuldigt bitte die Qualität der Aufnahme. Es war ein Wechselspiel von Sonneneinfall und Geruckel beim Fahren. Aber, so einen kleinen Eindruck für euch, was euch erwartet, wenn ihr die Einsiedelei besuchen möchtet.

Damit beginnt

meine Besichtigung der Einsiedelei San Leonardo al Lago

von der ich im ersten Moment dachte, sie ist mit der

Außenansicht der Einsiedelei San Leonardo al Lago

auch schon wieder vorbei. Alles zu, keine geöffnete Kirchentüre, obwohl Google uns doch versprach sie wäre zur Besichtigung geöffnet. Das wäre nach dieser Fahrt kein toller Griff in die Lostrommel, die wir vor allem bei Kirchen häufig vornehmen. Du bekommst das Los „geschlossen“.

Denn diesen trutzigen Kirchenbau möchte ich doch zu gerne auch von innen besichtigen. Für alle die den Weg nach oben finden, gibt es einen kleinen Parkplatz, auf dem ‚Fridolin‘ heute freie Auswahl hatte – wir waren die einzigen Besucher.

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Und jetzt? War die Fahrt hier herauf umsonst gewesen?

So schnell geb ich nicht auf, und zum Glück haben meine Italienisch-Kenntnisse ausgereicht, um an dem Tor zu lesen ‚will man die Einsiedelei besichtigen, dann bitte klingeln‘. Aber gerne doch! Natürlich nur innerhalb der Besichtigungszeiten, Montags ist geschlossen, so wie bei den Museen halt auch. So schlecht muss mein Italienisch wohl nicht gewesen sein, denn nach einem ‚aspetta‘ kam der Verwalter der Eremitage und wie ein Sesam-öffne-dich ging das Tor auf und wir standen

im Kreuzgang der Einsiedelei San Leonardo al Lago

Wie wir feststellten, gab es noch einen weiteren Bewohner in der Klosteranlage 😊

 

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Vielleicht hat mich der Besuch der Einsiedelei deshalb so gereizt, weil ich die an einem See vermutet habe? „Al Lago“ – Pustekuchen Inge. Manchmal liegt man da richtig falsch, so wie ich damals bei unserem Besuch der Burg Eltz. Warum führt die Straße bergab? Eine Burg liegt doch auf einem Berg? Zumindest meistens. Ich wurde eines Besseren belehrt, denn diese Burg liegt in einem Tal 😉 Und weit und breit habe ich hier nichts von einem See gesehen. Warum? Dazu gibt es

ein bisschen Geschichte zur Einsiedelei San Leonardo al Lago in der Toskana

Denn tatsächlich gab es bis Mitte des 18. Jahrhunderts in der Gegend einen See, den man bei Google heute noch mit

„Pian del Lago“

findet. Allerdings nicht mehr als See, sondern als Park. Damals aber war der See quasi wie eine große Pfütze mitten in der Landschaft – ohne Abfluss. Man kann sich lebhaft vorstellen, was das für eine Brutstätte für Krankheitserreger, wie z.B. die Malaria war. Außerdem war in diesem Sumpfgelände Landwirtschaft so gut wie unmöglich. Eine Lösung musste her, und die sah so aus, dass der Großherzog der Toskana, Leopold I. Francesco Bindi Sergardi den Auftrag gab: sorge dafür, dass das Wasser hier weggeht. Für einen allein eine fast unlösbare Aufgabe, denn der Entwässerungskanal, den er bauen ließ, schaffte es nicht gänzlich den ca. drei Meter tiefen See mit einer Fläche von etwa 156 Hektar abfließen zu lassen. Irgendwann fehlte ihm das Geld, und der Großherzog griff ihm dann 1777 unter die Arme, um das Projekt zum Ende zu bringen.

Großprojekt würde ich das nennen, denn 120 Arbeiter sollen 24 Luftschächte in das felsige Gelände gesprengt haben, damit das Wasser abließen kann. Und das auf einer Länge von über 2 km mit einer Höhe von knapp 2,5 Meter und einer Breite von annähernd 2 Meter. Was für eine Wahnsinnsarbeit. Das Ende der Arbeiten wurde groß gefeiert, und der Großherzog ließ am Zugangsbereich, den man heute noch sieht, einen Obelisken errichten.

Damit wäre also der See, den es nicht mehr gibt, geklärt. Bleibt dann noch

die Baugeschichte zur Einsiedelei San Leonardo al Lago

und die geht richtig weit zurück. So im 4.-6. Jahrhundert soll hier bereits als Höhle eine Einsiedelei existiert haben. Ich hüpf jetzt aber ins Jahr 1119, denn aus diesem Jahr sind Nachrichten überliefert, über die Einsiedelei, die San Leonardo gewidmet ist.  Wenn ihr mehr über den Namenspatron nachlesen möchtet, dann klickt einfach HIER., 1239 ging die Eremitage an den Augustinerorden. 1250 bestimmte der Papst jedoch, dass sich die Einsiedelei dem Kloster von San Salvatore di Lecceto anschließen müsse, das etwas südlicher von San Leonardo liegt. Ja, das Kirchenoberhaupt bestimmte noch mehr, so soll 1516 Papst Leo X. bestimmt haben, wieviel Mönche in der Einsiedelei zu leben und was sie zu bewirtschaften haben. 1783 wurde das Kloster dann aufgelöst und später von einem Adligen aufgekauft worden sein. Seit 1957 gehört es dem Staat.

Man sieht heute noch eine Mauer und zwei Türme um die Einsiedelei. Die wurden 1366 gebaut – in einer Zeit, als Kriege in der Umgebung schon fast zur Tagesordnung gehörten. Die Bevölkerung der umliegenden Gemeinden sollten hier eine geschützte Zuflucht finden.

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Wie bei so vielen Ordensgemeinschaften, dies war ja auch bei der Abtei San Galgano (der Kirche ohne Dach), die etwas südlicher liegt, nicht anders – viele Gläubige ‚erkauften‘ sich durch Spenden ihr Seelenheil oder vermachten Grundstücke. So kam auch die Einsiedelei San Leonardo al Lago zu genügend Vermögen, um Anfang des 14. Jahrhunderts die Klosteranlage renovieren zu lassen und die ursprünglich romanische Kirche wurde im gotischen Stil erweitert.

Und die schau ich mir jetzt an –

die Kirche in der Einsiedelei San Leonardo al Lago

Ich liebe ja romanische Kirchen. Sie vermitteln noch das Flair des Mittelalters. In meiner Kindheit ging es oft mit meinen Eltern zu Gottesdiensten in unsere romanische Johanniskirche in meiner Heimatstadt Schwäbisch Gmünd, die älteste Stauferstadt. (Nicht ohne Grund bin ich ja in meinem Reiseblog auch auf den Stauferspuren unterwegs) Puh, waren die Kirchenbänke unbequem, oft zu unbequem für ein Nickerchen im Arm meiner Mum 😊 Aber, noch heute erinnere ich mich an die Predigt unseres Pfarrers – sehr nachhaltig blieb mir dieser Satz im Gedächtnis: „Gott hat nichts dagegen, wenn eine berufstätige Frau und Mutter sich anstatt des Gottesdienstes am Sonntag auch mal um den Haushalt und die Familie kümmert, anstatt abgehetzt zum Gottesdienst zu rennen.“ Bestätigt mich immer wieder, dass sich Glaube und Nächstenliebe nicht in einer Kirchenbank zeigt, sondern in unserem Verhalten.

Die Innenansicht der Kirche der Einsiedelei San Leonardo al Lago

zeigt ein einziges Kirchenschiff. 

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Die Apsis in der Kirche von San Leonardo al Lago

zeigt Fresken aus dem Leben der Jungfrau Maria und Heiligen, wie z.B. San Leonardo oder San Agostino. Zwischen 1360 und 1370 hat sie Lippo Vanni aus Siena für die neue Kirche geschaffen. Die Decke bleibt bei mir nie unbeachtet, und da zeigt sich hier ein Schätzchen besonderer Art. Ein ganzes Orchester mit allen Instrumenten aus dem 14. Jahrhundert hat der Künstler an die Decke gezaubert, und damit vermutlich die einzige noch existierende Darstellung dieser Art.

Als Wallfahrtsort wurde die Einsiedelei aber wegen so manch einem Bewohner bekannt. Von einem will ich euch ein bisschen mehr berichten –

aus dem Leben des seligen Agostino Novello

der in der Einsiedelei seine letzten Jahre verbrachte, bevor er 1309 dort verstarb. 1240 wurde er als Matteo da Termini in einem Dorf auf Sizilien, nahe Palermo, geboren. Von seinen Eltern, eine Adelsfamilie, wurde er standesgemäß erzogen, studierte und wurde Professor der Rechtswissenschaften. Jetzt kommen meine Staufer wieder ins Spiel, auf deren Spuren ich in meinem Blog ja auch unterwegs bin 😉 Matteo arbeitete nämlich in der Kanzlei am Königshof von König Manfred von Sizilien. Der war Sohn des Stauferkaisers Friedrich II., ein Enkel des bekanntesten Kaisers der Staufer, Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Manfred ist der eher unbekanntere der Staufer und war letzter König aus der Stauferdynastie. Wenn ihr mehr über ihn nachlesen möchtet, dann klickt HIER.

Eben in seiner Funktion am Königshof begleitete Matteo dann König Manfred in den Krieg gegen seinen Widersacher Karl I. von Anjou, der die Krone Siziliens wollte. Manfred wurde in der entscheidenden Schlacht bei Benevent getötet, sein Heer geschlagen und Matteo lag verwundet auf dem Schlachtfeld. Man hielt ihn neben all den anderen Leichen ebenfalls für tot. Manchmal braucht es ja einschneidende Erlebnisse um sein Leben zu überdenken, so wie es auch beim Hl. Galgano der Fall war. Auch Matteo schwor allen Würden und Annehmlichkeiten des weltlichen Lebens ab und bat um Aufnahme als Laienbruder in einem Augustinerkloster auf Sizilien. Als Agostino lebte er sein Leben in Frieden und Frömmigkeit. Ja, man könnte sagen, er lebte inkognito dort, ohne dass jemand wusste wer er war und was er konnte.

Das ging so lange gut, bis die Augustiner in einer Angelegenheit einen Anwalt benötigten, der Agostino als Matteo und ehemaligen Kollegen erkannte. Wie kann ein so gelehrter Mann einfach nur so ein einfaches Leben im Kloster verbringen? Der ehemalige Kollege hat natürlich beim General des Ordens sein Wissen über ihn ausgetratscht. Damit war die ruhige Zeit für Agostino vorbei. Er musste unter Zwang die heiligen Weihen empfangen, und wurde dann vom General nach Rom geschickt, wo er die Verfassungen des Ordens reformieren sollte. 1298 wurde er gegen seinen Willen zum Generalprior gewählt. Alles Sträuben half nichts, der Papst sprach das Machtwort und er musste die Position annehmen. Aber nur zwei Jahre, dann hatte er genug – er zog sich in die Einsiedelei San Leonardo al Lago zurück, die dem Orden gehörte.

Hier widmete er sich den Menschen, die in den umliegenden Dörfern seine Hilfe benötigten. Er war Mitgründer eines Krankenhauses in Siena. Am 19. Mai 1309 oder 1310, so genau weiß man das in diesen Zeiten nicht, verstarb er in der Eremitage di San Leonardo al Lago. Seine letzte Ruhe fand er in der Kirche des Hl. Augustinus in Siena. Es entstand ein Kult um ihn und seinen letzten Lebensort, so dass ihn Papst Clemens XIII. 1759 selig sprach. Nachdem Papst Clemens XIV. diesen Kult 1770 bestätigt hatte, wurden seine sterblichen Überreste in seinen Heimatort Termini Imerese auf Sizilien überführt.

Wir wurden inzwischen über den Innenhof zum

Refektorium in der Einsiedelei San Leonardo al Lago

geführt. An dieser Stelle ein herzliches DANKE an den Verwalter der Einsiedelei, der uns die Möglichkeit gegeben hat, das ehemalige Kloster in Ruhe anzuschauen.

Hier im Refektorium, neben dem Kapitelsaal ist der Speisesaal einer der wichtigsten Räume im Kloster, ist ein wertvolles Meisterwerk der sienesischen Malerei zu bewundern. Auch wenn heute nur noch Teile zu sehen sind, das wertvolle Fresko, das die Kreuzigung zeigt, ist ein um 1445 entstandenes Werk von Giovanni di Paolo del Grazia.

Der italienische Maler wurde so um 1403 in Siena geboren und galt als Hauptvertreter der Malerschule von Siena, einer Malereibewegung von Ende des 13. bis ins 15. Jahrhundert. Sie zählt neben der Florentiner Malerei als eine der bedeutendsten. Bevor jeder Künstler zu seinem eigenen Stil findet, darf man ruhig auch mal bei anderen abkupfern. Darunter waren auch so Größen wie Donatello oder Lorenzo Ghiberti. Wenn man dann keine Kopie wird, ist das doch alles legitim.

Ganz ehrlich, auch ich habe mich, als mein Reiseblog das Licht der Web-Welt erblickt hat, auf anderen Blogs umgeschaut. Wie machen die das? Wie lösen die das Menüproblem usw. Nur so kann man Ideen sammeln, aber auch, was man nicht oder was man unbedingt möchte. Nach inzwischen fünf Jahren ‚Inges-Reiseblog‘ schaue ich schon lange nicht mehr, wer was wie macht. Und einen Schreibstil kann man eh nicht kopieren. Der muss sprudeln und seinen eigenen Stil haben.

Jetzt werft mit mir einen Blick ins Refektorium ….

Zum Verwalter gehört noch ein kleiner Verwalter des gesamten Anwesens 😍
Zum Abschluss unseres Besuchs der Einsiedelei stand der mir noch für Aufnahmen als Model zur Verfügung.

Solltet ihr in der Gegend von Siena oder Monteriggioni, in das wir jetzt fahren werden, unterwegs sein, so gönnt euch den kleinen Abstecher hinauf zur Einsiedelei San Leonardo al Lago – zu Fuß, wie es die Pilger auf der Via Francigena machen oder ganz bequem per Auto.

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