Auf einem Bergsattel hoch über Waldstetten im Ostalbkreis steht das Wahrzeichen der Gemeinde – die Reiterleskapelle.
Klein, aber sehr fein steht sie da oben auf der Anhöhe, die nur ihr gehört – dem Reiterleskapelle, die wieder einmal mein Ziel war.
Gleich vorweg bekommt ihr jetzt erstmal einen kleinen Schwäbisch-Kurs: des Reiterleskapelle. DES Kapelle! Ihr kennt es bestimmt – die Eigenart des schwäbischen Dialekt an fast alles die Endung ‚le‘ anzuhängen. Nein, soooooo schlimm ist es jetzt auch wieder nicht, aber halt oft.
Deshalb:
auf Deutsch – der Reiter / auf Schwäbisch – des Reiterle
auf Deutsch – die Kapelle (die darf auch ein bisschen größer sein) / auf Schwäbisch – des Kapelle (die ist dann klein und schnuggelig)
oder auf Deutsch – zur Kapelle / auf Schwäbisch – zum Kapelle
Ond jetzt isch des, des Kapelle von dem Reiterle – des Reiterleskapelle. Oder auf Deutsch – Und jetzt ist dies die Kapelle des Reiters – die Reiterleskapelle.
Wie auch immer, auf jeden Fall ist sie sehr schön da oben gelegen. Auf dem Bergsattel, zwischen dem 691 Meter hohen Rechbergle und einem Ausläufer des 781 Meter hohen Naherholungsgebietes Kaltes Feld. ‚Rechbergle‘ nicht verwechseln mit der Burgruine Hohenrechberg. Naja eigentlich heißt des ‚Rechbergle‘ ja Schwarzhorn, aber für uns Waldstetter ist es halt das Rechbergle 🙂
Viele Wege führen da nach oben zum Kapelle. Deshalb ist die Gegend dort oben ein Paradies für Wanderer von allen Richtungen.
Von Waldstetten aus ist es nicht weit, aber diese gut 4 km gehen ab unserem Teilort Weilerstoffel stetig und steil im Pass nach oben. Für die Waldstetter (und andere) ist diese kleine Passstraße die Abkürzung und Verbindung zu unserem weiteren Teilort Wißgoldingen. An Sonn- und Feiertagen ist die Straße ab Tannweiler aber gesperrt (dem kleinen Weiler am Fuß des Rechbergle). Und vom großen Wanderparkplatz beginnt dann der kurze steile (oder längere gemütliche Weg am anderen Ende des Weilers) nach oben zum Kapelle.
Gigantische Fernblicke bis hinüber in den Landkreis Schwäbisch Hall sind auf dem Weg nach oben gegeben. Auch hinüber zu unserem Hausberg ‚Stuifen‘ und dem ‚Zuckerhütle‘ (dem kleinen fast kahlen Hügel vor dem Stuifen). Das Zuckerhütle ist, ob seiner Lage (und ohne Bäume) ein begehrtes Ziel im Herbst für kleine und große ‚Drachenflieger‘.
Nach gut 200 Meter Weg nach oben sieht man es dann – unser Waldstetter Wahrzeichen – das Reiterleskapelle.
Woher die Kapelle ihren Namen hat? Darum ranken sich mehrere Sagen und Geschichten. Die bekannteste Version ist aber diese –
Die Sage ums Reiterleskapelle
Mit den Hauptfiguren: der Winzinger Hauptmann Roth und der wohlhabende Bauer Reuterle aus Tannweiler der dem Hauptmann einen großen Geldbetrag leiht
Auch Schwaben können großzügig sein, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Denn verliehenes Geld muss auch irgendwann wieder den Weg zurück zum Geldleiher finden. Das war aber bis zum Todestag des Hauptmanns Roth noch nicht geschehen. Also macht sich Bauer Reuterle auf nach Winzingen zur Beerdigung und natürlich in der Absicht, sein geliehenes Geld von den Hinterbliebenen zurückzubekommen.
Aber schon bei der Beerdigung passierten schräge Dinge. Roth, ein Tyrann, der im Winzinger Schloss lebte wurde wie es sich gehörte im Schlosshof aufgebahrt, damit die Leute sich dort von ihm verabschieden konnten. Während der Einsegnung zeigte sich Roths Geist in Gestalt eines kleinen, grün gekleideten Männleins und verspottete die Trauergemeinde. Niemand wusste, wie man dem Gespenst, das sich dann schlussendlich auf dem Sarg breit machte, Herr wurde. Ein kleines Männlein kam auf die Idee, das Gespenst mit Weihwasser zu besprengen, worauf dieses feuerprustend und zischend verschwand.
Reuterle, der zu den besten Freunden Roths gehörte, wollte am Tag nach der Beerdigung mit dem Amtmann diese Angelegenheit besprechen und war wohl etwas zu lange dort. Erst eine Stunde vor Mitternacht machte sich Reuterle auf den Weg zurück nach Tannweiler. Kurz vor Tannweiler, auf dem Zuckerhütle soll ihm der Hauptmann Roth ohne Kopf auf einem Pferd reitend, und begleitet von vielen kopflosen Hunden, vom Graneggle her auf Reuterle zugeritten kamen. Voller Schrecken zog wohl Reuterle seine Mütze und grüßte, was er hätte tunlichst unerlassen hätte sollen. Denn der Geist brüllte ihn mit unnatürlicher Stimme an und stürmte dann unter lautem Hallo und Hundegekläff davon, als ob der Teufel hinter ihm her wäre.
Das war zuviel für Reuterle. Er versank in eine Ohnmacht aus der er erst erwachte, als die Morgengebetsglocke von Wißgoldingen herüber läutete.
Reuterle total geschockt, empfahl die Seele seines verstorbenen Freundes der Gnade Gottes und gelobte für dessen Seelenruhe eine Kapelle zu erbauen. Ein Schwabe ein Wort. Und so entstand die Reiterleskapelle.
Tatsächlich sind aber die Hintergründe und die Stifter der kleinen Kapelle bis heute nicht bekannt. Es existieren keine historisch verwertbaren Unterlagen.
Im Inneren ist die Kapelle sehr einfach und schlicht. So kann man sich ganz auf die Statue des Hl. Leonhard, dem Schutzheiligen der Kapelle, konzentrieren. Er starb 559 n.Chr. und galt ursprünglich als Schutzpatron derer, die in Ketten liegen. Heute wird er als Schutzpatron der Bauern und Pferde verehrt.
Der Vofall jener Nacht mit Bauer Reuterle ist in einem Wandbild an der Außenwand dargestellt.
Neben der Kapelle steht eine große alte Linde, die um das Jahr 1600 gepflanzt worden sein muss, also rund 100 Jahre älter als die Jahreszahl über der Tür der Kapelle (vermutlich das Erbauungsdatum).
Da die Wege von hier oben in alle Richtungen weitergehen, war diese Linde ein markantes Wegzeichen.
Die Reiterleskapelle liegt auf dem Jakobsweg und in der Kapelle ist ein Stempel für die Erinnerung.
Da wir an diesem Sonntag nicht wandern wollten, galt das Ziel einem anderen Grund. Ich nenne seit ein paar Tagen eine neue Kamera mein eigen. Und bevor wir wieder auf Reisen gehen, muss man ja testen und ausprobieren, gell.
Und das habe ich dort oben dann auch ausgiebig getan 🙂
Auch wenn es mich immer wieder auf Reisen zieht – MEINE Heimat, ein Traum!
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