Früher war an dieser Stelle der alte Königshof, heute bietet das Gemeinde- oder Repräsentationshaus (Obecní dům) in der Prager Altstadt Veranstaltungen, und ist der Sitz des Prager Symphonieorchesters.

Fast jeden Tag sind wir während unseres Aufenthalts in Prag bei unserem Weg von und zu unserer Ferienwohnung, an diesem herrlichen Bau vorbeigekommen. Ein prachtvolles Gebäude, in dessen Schatten die Menschen schon in der Frühe beim Frühstück sitzen und dem regen Treiben auf dem Platz der Republik zuschauen. Da muss ja schon was Interessantes drin sein, dachte ich mir des öfteren. Tante Google hat meine Neugier gestillt, das ist das Gemeinde- oder Repräsentantenhaus der Stadt Prag. Aha …. und was ist daran Besonderes?

Genau DAS wollten wir herausfinden, und betraten kurzerhand auf einem Rückweg zur Wohnung das Gebäude. „Heiligs Blechle“ – keine Ahnung ob ich diese höchste Bewunderung eines Schwaben nur dachte oder laut aussprach. Soooo prachtvoll war der Eingangsbereich. In einem kleinen Kassenbereich erfuhren wir, dass es Führungen durch das Gebäude gibt. Aufgrund Corona nur zwei am Tag, 11 Uhr und 16 Uhr. Und wir standen hier um …. 16.05 Uhr! Bingo!
Egal, wir haben ja noch ein paar Tage in Prag. Und so haben wir uns die Besichtigung ganz fest auf unseren Abschlusstag gesetzt.

Was in dem Gemeindehaus beheimatet ist, erfuhren wir dann in

Der Führung durch das Gemeinde- oder Reprästentantenhaus (Obecní dům) in der Prager Altstadt.

Pünktlich zur angegebenen Zeit haben wir zur Führung ‚eingecheckt‘ und bekamen einen Erklärungstext in Deutsch in die Hand gedrückt. Denn Führungen finden nur in Englisch oder Tschechisch statt. Am Ort des Treffpunkts wurde es dann schon deutlich, wo wir uns befanden. Das ist ein Konzert- und Veranstaltungshaus. Naja, mit Gemeindehaus verbindet man ja nicht unbedingt hochkarätige Musikveranstaltungen.

Wir waren eine sehr überschaubare Anzahl von Wissbegierigigen – und kamen uns vor wie Exoten aus fernem Lande. Wir waren die einzigen Deutschen unter lauter tschechischen Bürgern – und die Führung fand demzufolge in tschechischer Sprache statt. Aber wir hatten ja unser Informationsblatt.

Schaut euch mal

das Gemeindehaus von außen

an (falls ihr es nicht schon kennt). Toll oder?
Es ist wohl eines der schönsten Jugendstilgebäude in Prag. Die beiden Haustrakte stehen in einem stumpfen Winkel zueinander. Über dem großen Eingangportal ist ein Balkon und darüber ein großer halbkreisförmiger Bogen mit einem wunderschönen Mosaik. Erkennungszeichen schon von weitem ist die Kuppel, die hinter diesem Bogen aufragt. Und im Halbkreis liest man ein Zitat zum Ruhme der Stadt Prag.

Bevor es durch die Innenräume geht,

ein bisschen Geschichte zum Gemeindehaus in Prag

König Wenzel IV. ließ auf diesem Platz einen Königshof für die böhmischen Herrscher, aber zunächst mal für ihn, errichten. 1383 zog er von der Prager Burg in die Stadt und bis zum Ende des 15. Jahrhunderts war es dann der Königshof der böhmischen Könige. König Vladislav II. Jagiello scherte dann aus dieser Tradition aus und siedelte sich, samt seinem Hofstaat, 1484 wieder auf der Prager Burg an. Nach dem Prager Volksaufstand ein Jahr zuvor, bei dem Rathäuser gestürmt und gemordet wurde, war es ihm in der Stadt wohl nicht mehr sicher.
Karl IV. wählte diesen Standort als Start für den Königsweg zur feierlichen Königskrönung hinauf auf die Prager Burg.

In dem nun leerstehenden Gebäude wurde vom Erzbischof ein Erzbischöfliches Seminar eingerichtet. Eine komplett andere Nutzung erfuhr der ehemalige Königshof dann ab 1777. Er wurde zur Kaserne mit einer Kadettenschule. 1903 wurde das Gebäude dann schließlich abgerissen.

Die Stadt Prag schrieb dann einen Architektenwettbewerb aus, um die freie Fläche wieder zu füllen. Ein Team bekam den Zuschlag mit einer Fläche von ca. 4.200 m² entstand der Jugendstilbau. Knapp sechs Jahre wurde daran erbaut, bis am 5. Januar 1912 die Einweihung stattfinden konnte.
Von hier wurde am 28. Oktober 1918 die Gründung der Tschechoslowakischen Republik ausgerufen. Im November 1989 ging von diesem Platz die Samtene Revolution aus. Wenn ihr mehr zu diesem Ereignis lesen möchtet, dann könnt ihr euch HIER informieren. Nach einer Sanierung erstrahlt das Gebäude wieder in neuem Glanz.

Unsere kleine Gruppe begab sich jetzt auf den Weg zum ersten Raum ….

Der Smetana-Saal

1200 Sitzplätze bietet der zentrale Raum des Gemeindehauses. Er wurde nach Bedřich Smetana, dem bekannten Komponist benannt, die ‚Moldau‘ ist bestimmt jedem ein Begriff. Auf der Orgel ist ein kreisförmiges Bronzerelief von ihm angebracht. Helligkeit erhält der Saal durch die Licht durchlassende Kuppel.
Weltweiten Ruf haben die Orgelkonzerte auf der romantischen Orgel, die aus dem Jahr 1912 stammt. 4814 Orgelpfeifen sind hier untergebracht. Rechts und links neben dem Podium sind die Logen für den Oberbürgermeister der Stadt Prag, ihm gegenüber die des Staatspräsidenten.

Malereien über Tanz, Musik, Poesie und Drama sind an den Wänden über den Balkonen zu sehen. Anfangs hörte man hier vor allem Konzerte der Tschechischen Philharmonie, seit 1942 bis heute konzertieren hier die Prager Symhoniker. Im Smetana-Saal finden (wie im Rudolfinum) die bedeutendsten Konzerte des Prager Frühlings statt.
Immer wieder gab es von der netten Dame, die die Führung in tschechischer Sprache hielt, am Ende noch ein paar Ausführungen in Deutsch. So, dass die Bestuhlung des Saales so konzipiert ist, dass man sie für andere Anlässe auch verschwinden lassen kann. So ergibt sich eine vielfältige Nutzung des Smetana-Saals.

Der Rundgang geht weiter in die

Konditorei des Gemeindehauses

Elemente von Empire und Jugendstil vereinen sich in diesem größten Damensalon. Großflächige Spiegel und Marmor an den Wänden, eine helle Innenausstattung – und der Raumnutzung entsprechend im Stuckrelief zwei knieende Frauengestalten. Eine feine Innenausstattung – und kein Wunder, dass der Saal immer noch kleinen Empfängen dient.

Die Führung geht zusammenhängend von einem Raum in den Nächsten, und das ist jetzt

der Slowakische Salon

auch wieder ein Damensalon. Seinen Namen hat er nach einem Teil von Mähren, der Mährischen Slowakei. Man könnte meinen, man kommt in ein kleines Wohnzimmer. Original sind in diesem Raum die Wandverkleidungen erhalten geblieben. Auch die Kronleuchter, die lederbezogenen Bänke und die kleinen Tische sind Originale.

Nach einer tschechischen Schriftstellerin, die von 1820 bis 1862 gelebt hat, ist der nächste Raum benannt,

der Božena Němcová Saal

Wer ist die Frau, nach der ein Saal in diesem bedeutenden Gebäude benannt wird? Als Barbara Nowotny wurde sie in Wien geboren. Auf Drängen ihrer Mutter heiratete sie einen tschechischen Patrioten und nahm später auch den tschechischen Vornamen Božena an.
Ab 1842 schrieb sie über einige Jahre vor allem Märchen und Gedichte, auch das Märchen Aschenbrödel. Dieses wurde 1873 als „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ gemeinsam von der ČSSR/DDR verfilmt. Ihr kennt ihn sicher aus dem jährlich wiederkehrenden Weihnachtsprogramm im TV. Ihr berühmtestes Werk erschien 1855 – Babička (Großmutter). Darin schildert sie ihre Eindrücke aus ihrer Kindheit in Böhmen bei ihrer Großmutter. Heute eines der wichtigsten Werke in der tschechischen Nationalliteratur. Einsam und verarmt starb Božena Němcová 1862 in Prag. Aber keiner der Persönlichkeiten, die sie unter großer Anteilnahme auf dem heutigen Ehrenfriedhof beigesetzt haben, hat sich zu Lebzeiten um sie gekümmert.

Die Ausschmückung des Raumes ist etwas eigentümlich, aber vermutlich deshalb etwas Besonderes mit der Nische, mit der auch heute noch funktionierenden Fontäne. Mit bunten, farbenfrohen Steinchen ist die Nische verkleidet. Geschmückt mit einer kleinen Statuette der berühmten Schriftstellerin. Die Wände verkleidet mit künstlichem Marmor ….

Božena Němcová Saal im Gemeindehaus in Prag 0078
Božena Němcová Saal im Gemeindehaus in Prag 0077
Božena Němcová Saal im Gemeindehaus in Prag 0081

Ein weiterer Damensaal ist

der Orientalische Salon

Vorwiegend ist der Raum mit orientalischen Ornamenten, inspiriert nach Vorlagen der islamisch-anatolischen Kunst. Das heutige Aussehen entspricht exakt der Gestaltung von 1912. Man sieht es dem Raum nicht an, der angrenzende Pulverturm liegt Wand an Wand mit dem Raum. Ich denke, hier erübrigt sich aber jede weitere Beschreibung.

Ein bedeutender tschechischer Politiker aus dem 19. Jh. gab dem nächsten Raum seinen Namen:

Der Grégr-Saal

Er war Mitbegründer der Jung-Tschechischen Partei und Eigentümer und Verleger der Národní listy, der Nationalen Blätter. Wunderschön sind in diesem Raum die auf Leinwand gemalten Wandbilder, die 1911 entstanden sind. Sie symbolisieren die Entfaltung des Lebens von der Geburt bis zum Tod. Die Gemälde an der Decke zeigen Leben, Poesie und Tod. Auf einem kleinen Balkon spielte bei Veranstaltungen ein Orchester zum Tanz.
Julius Grégr schaut als Büste in den Raum, der seinen Namen trägt.

Noch lange kein Ende in Sicht mit dem Rundgang. Ihr müsst dafür ca. 90 Minuten Zeit einplanen. Aber ihr seht es ja bereits an bisherigen Räumen – es lohnt sich. Und es kommt noch besser.

Im Palacký-Saal

weiß man im ersten Moment nicht, wo zuerst hinschauen. Zur Decke zu dem Gemälde mit „Dem Mädchen und den fliegenden Vögeln“. Oder zu den farbenfrohen Wandmalereien aus den 1910-12, die Szenen badender Frauen und einem siegenden Jüngling auf einem weißen Pferd darstellen. Die Wände sind mit künstlichem Marmor verkleidet, Spiegel und die vielen Leuchter an der Decke sind noch im Originalzustand erhalten. Und auch hier steht der Namensgeber des Raumes mit einer Büste.

Ohne Grund wird ja kein Raum nach jemanden benannt. František Palacký ist ein bedeutendender Historiker und Politiker aus dem 19. Jahrhundert. U.a. setzte er sich in der tschechischen Nationalbewegung ein, war Präsident des ersten Slawenkongresses in Prag und förderte die Gründung des Nationaltheaters der Stadt Prag.

Im nächsten Raum war ich froh, dass ich kein Wort der Führung verstand und so genügend Zeit hatte, mich im Raum umzuschauen, denn dieser ist das Highlight,

der Primator/Oberbürgermeister-Saal im Gemeindehaus in Prag

Kreisrund ist der 95 m² große Saal hinter dem Balkon, den man an der Außenfront sieht. Von diesem Balkon wurde am 28. Oktober 1918 die Tschechoslowakische Republik ausgerufen, das erste Gesetz der neuen Regierung verabschiedet, und in den folgenden Tagen tagte hier der Nationalausschuss als erstes Parlament des neuen Staates.

Alfons Mucha, ein hervorragender tschechischer Künstler des Jugendstils, bemühte sich so sehr den Zuschlag für die Ausschmückung des Raumes zu bekommen, dass er seinen Preis ermäßigte. Damals wie heute gefällt so ein Verhalten den Mitbewerbern natürlich gar nicht. Er stellte ein Kunstwerk her, zu dem ich staunend nach oben blickte. Sorry, ich kann euch meine Begeisterung in Form vieler Fotos nicht ersparen. Aber ihr wisst ja, dass ihr nicht nur auf einem Reise- sondern auch Fotoblog gelandet seid. Spätestens jetzt könnte eine Besichtigung dieses Gebäudes auch auf euren Plan kommen? Direkt im Raum wirken die Deckengemälde natürlich um einiges besser.

Die Deckenmalerei des Künstlers trägt den Titel „Slawische Einigkeit“ – und man kann sich in diesem Raum tatsächlich beobachtet fühlen. Figuren bilden einen Kreis, im Mittelpunkt ein zum Himmel fliegender Adler, der alle unter seine Flügel nimmt. Ruhmreiche Gestalten aus der tschechischen Vergangenheit verkörpern positive Tugenden – wie z.B. die Wachsamkeit, Selbständigkeit, die mütterliche Weisheit, Treue oder Jan Hus verkörpert die Gerechtigkeit.
Einfach nur unglaublich schön und aussagekräftig.

Auch die Wände in den Bogenfeldern,hat der Künstler mit wunderschönen Wandmalereien bedeckt. Patriotisch motiviert sind die Inschriften. In Kurzform: „Opfer“, „Mit eigener Kraft“ und „Mannbarkeit“. Die Farbenkombinationen tun ihr übriges dazu, diesen Raum irgendwie magisch wirken zu lassen. Blau drückt die Prähistorischen Zeiten aus, und Lila in Rot setzt Macht und Ruhm im Mittelalter um.
Mehr verrate ich euch jetzt nicht zur weiteren Ausstattung des Raumes, vielleicht seid ihr ja neugierig, diese Infos vor Ort in Prag herauszufinden?

Auch der nächste Raum hat seinen Namen nach einem bedeutenden Politiker

der Rieger-Saal

František Ladislav Rieger, blickt im Raum auf die herrlichen Wandmalereien, die in diesem Raum neben der herrlichen Beleuchtung ein Hingucker ist.“Tschechischer Frühling“ hat sie der Künstler genannt und versammelt auf seinen Bildern tschechische Schriftsteller, Maler und Komponisten. Die Wandverkleidungen sind noch in ihrer ursprünglichen Form erhalten.

Den Abschluss des Rundgangs durch das 1. Stockwerk des Gemeinde-/Repräsentantenhauses in Prag ist

der Sladovský-Saal

benannt nach dem Journalisten und Politiker Karel Sladovský (1823-1880). Der Raum wurde ursprünglich als Vortragssaal entworfen, und wird auch heute noch als solcher – oder für kleine Konzerte – genutzt. Im Gegensatz zu den anderen Räumen, ist dieser Raum eher schlicht. Auffallend ist die Wandverkleidung und die Uhr. Die vielen Spiegel im Raum in denen sich die Leuchter duplizieren lassen den Saal noch tiefer wirken.
Mit dem Blick zurück sieht man, dass die Räume alle hintereinander liegen und durch Verbindungstüren getrennt sind.

Hinter dem Sladkovský-Saal befinden sich noch weitere Säle, die als Speisesäle bezeichnet werden, aber nicht in der Führung enthalten sind. Diese endet in diesem Saal.
Ich war froh, dass wir uns am letzten Tag doch für die Besichtigung der Räume entschieden haben – bei mir haben sie das Prädikat ’sehenswert‘

In jedem Raum lassen sich kleine Details finden – ich bin gespannt, wenn ihr in Prag und im Gemeindehaus seid – ob ihr sie wiederfindet?

1989 wurde das Gemeindehaus, das auch an der Fassade herrliche Details bietet, zum Nationaldenkmal erklärt.

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