Die Bethlehemskapelle (Betlémská kaple), ein eher schlichter Hallenbau, ist in der ersten Phase der tschechischen Reformation ein bedeutender Schauplatz. Ein Ort, der in Verbindung mit dem Reformator Jan Hus zu nennen ist.
Die Bethlemskapelle lag nicht als Hauptziel in unserem heutigen Rundgang. Eigentlich haben wir sie eher zufällig gefunden. Der ursprüngliche Plan war, ab dem Altstädter Ring einen weiteren Teil des Krönungswegs der böhmischen Könige bis zur Karlsbrücke zu gehen. Pläne sind bei uns da, um sie dann auch sehr spontan, je nach Bedarf, umzuwerfen. Nämlich dann, als wir sahen, dass sich an diesem Samstag sehr viele Menschen durch die Karlsgasse bewegten – vermutlich alle mit dem Ziel, an der Karlsbrücke herauszukommen. Und so ein Geschiebe, in einem doch recht engen Gässchen, war für uns überhaupt nicht Coronatauglich.
Deshalb haben wir bei der nächsten Gelegenheit die Karlsgasse verlassen. Wir hatten ja noch ein paar Tage in Prag, die Karlsbrücke läuft bestimmt nicht weg. Wie gut unsere Entscheidung war, haben wir auch beim Rückweg gesehen. War unter der Woche der Touristenzustrom sehr verhalten, schien es, als wären sie jetzt fürs Wochenende mit Busladungen angekarrt worden. Nichts für uns. Dann nehmen wir eben übers Wochenende einen Gang zurück. Durch schmale Altstadtgässchen, aber ohne viele Menschen, kamen wir zunächst an der Kirche St. Ägidius (Kostel sv. Jiljí) raus. Ohne Stadtplan ging jetzt nichts mehr. Das wäre sonst wie nach der Nadel im Heuhaufen stochern. Und der Stadtplan ’sagte‘ gleich ums Eck ist nochmal eine Kirche – die Bethlehmskapelle. Also nix wie dahin.
Auf diese Idee kamen tatsächlich nur sehr wenige Menschen. Scheinbar laufen alle den Hotspot-Sehenswürdigkeiten nach. Hmm … vermutlich würde ich das ja für ein Wochenende in Prag genauso machen. Aber wir lieben es, auch etwas abseits der ‚eingezeichneten‘ Touristenwege durch die Straßen zu schlampern. Man kann die Bethlehemskapelle unmöglich übersehen, wie sie da an dem kleinen Platz steht (der gerade eine einzige Baustelle war). Der markante gotische Doppelgiebel und die Kirchenfenster sagen – Hier: eine Kirche.
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Ein bisschen Geschichte zur Bethlehemskapelle in der Prager Altstadt
die eigentlich keine Kapelle, sondern eine Kirche ist. Zwei Prager Bürger sind dafür verantwortlich, dass 1391 die Bethlehemskapelle gegründet wurde. Ausdrücklich wurde in der Gründungsurkunde vom 24. Mai 1391 festgehalten, dass die Predigt, und zwar in tschechischer Sprache, der Kerninhalt des Gottesdienstes sein soll. Der Name wurde über die Bedeutung ihrer Absicht auch gefunden: Bethlehem. Was bedeutet ‚Haus des Brotes‘. „Und das Volk und die treuen Christen sollen durch das Brot der heiligen Predigt gesättigt werden.“
Wer in der Kapelle predigen durfte, sollte durch die Professoren der Karls-Universität in Prag festgelegt werden. Und genau an dieser Universität wurde 1402 Jan Hus, der zuvor Theologie studierte und 1400 zum Priester geweiht wurde, Professor. Die Bethlehemskapelle wurde für ihn, neben der Universität, eine Wirkungsstätte als Dozent und Prediger. Wie es festgelegt war, hielt er seine Predigten, so rund 200 pro Jahr, in tschechischer Sprache ab und erreichte damit die Massen der Bevölkerung.
Aber Jan Hus war ein kleiner ‚Rebell‘. Er kritisierte die Misstände der Kirche zu dieser Zeit. ER sah die Kirche als Gemeinschaft von Gott, predigte eine strenge und tugendhafte Lebensweise. Und wetterte gegen den weltlichen Besitz der Kirche, warf ihr sogar Habsucht und Lasterleben vor. Damit machte er sich natürlich keine Freunde. Er bekam vom Papst 1410 Redeverbot, was Hus nicht daran hinderte, weiter zu predigen. Der Druck auf Jan Hus wuchs, als die Stadt Prag wegen ihm ein Verbot von gottesdienstlichen Handlungen bekam. 1412 verließ Jan Hus die Stadt, und damit ging die Ära der Predigerkirche, die im gesamten christlichen Abendland eine Rolle gespielt hatte, zu Ende.
Jan Hus wurde am 6. Juli 1415 auf dem Scheiterhaufen vor Konstanz nach dem Konstanzer Konzil verbrannt. Mehr über das Leben und das Wirken von Jan Hus könnt ihr in einem ausführlichen Beitrag zum Jan-Hus-Denkmal nachlesen. Er hatte jedoch mit seinen Anhängern, den Hussiten, viele Nachfolger, die in seinem Sinne weiterpredigten.
Das Schicksal der Bethlehmskapelle änderte sich mit der Schlacht am Weißen Berg 1620, in deren Folge in Böhmen die Rekatholisierung einsetzte. 1622 ging die Kapelle zu den Jesuiten über und war von 1638 bis 1661 im Besitz der Prager Universität. Die Jesuiten wandelten die Kapelle 1661 in eine katholische Kirche, die aber weiterhin den Namen Bethlehemskapelle trug. Das Schicksal wurde 1876 besiegelt – die Kapelle wurde entweiht und teilweise abgerissen. An ihrer Stelle entstand ein Mietshaus.
So konnte das aber nicht bleiben! Nach dem Zweiten Weltkrieg besann man sich der Bedeutung dieses Bauwerkes und in einer Rekonstruktion entstand die neue Bethlemskapelle nach alten Dokumenten.
Die Wandmalereien in der Bethlehemskapelle in Prag
zeigen Nachbildungen der ursprünglichen Malereien von damals. Sie zeigen u.a. Texte hussitischer Lieder, sowie Malereien zum Konstanzer Konzil.
So ist Jan Hus auf dem Scheiterhaufen genauso abgebildet, wie ein Bildnis von Kaiser Sigismund, der Jan Hus zur Reise nach Konstanz überredete, indem er ihm Geleitschutz bot. Anschließend war ihm aber die Gier nach der Kaiserkrone wichtiger als sein gegebenes Wort, Hus wurde verhaftet. Die einzige Möglichkeit die Sigismund zu seiner Rettung sah, war, Jan Hus zum Widerruf seiner Lehren zu bewegen, was dieser aber nicht tat.
Die Kapelle ist bewusst schlicht gehalten. Das Zentrum ist nicht etwa ein Altar, sondern die Kanzel. Der schon damals in die Kapelle intregierte Brunnen befindet sich auch heute in der Kapelle. Die Bethlehemskapelle wurde Ende März 1992 feierlich wiedereröffnet.
Gegen eine kleine Eintrittsgebühr könnt ihr diese Pracht, die heute der Festsaal der Tschechischen Technischen Universität Prag ist, besichtigen. Wir waren die einzigen Besucher in diesem Zeitraum und wurden sehr freundlich willkommen geheißen. „Where are you from?“ – Wir bekamen die Erklärung und Geschichte der Bethlehemkapelle in deutscher Sprache. Unzählige Mappen verschiedener Sprachen liegen für die Besucher bereit.
Im ersten Stockwerk ist eine
Dauerausstellung über die Geschichte der Bethlehemskapelle
und die Wohnung, in der Jan Hus gewohnt hatte.
Wenn man sich mit der Geschichte von Jan Hus und seiner Bewegung etwas näher befasst (was ich getan habe), dann ist es hochinteressant die Kapelle zu besuchen. Aber nicht nur dann 🙂
Wir waren auf jedenfall froh, über diesen Umweg zur Bethlehemskapelle gefunden zu haben. Auch der Rückweg ging über kleine Gässchen und einem Platz, auf dem wir bei einem kühlen Getränk den Jazz Klängen eines Straßenmusikers zugehört haben. Herrlich, diese Lebensfreude überall in der Stadt.
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