Ein gutes Gläschen Wein von der Mosel – oft trinken wir Wein, ärgern uns über einen teuren Weinpreis ohne uns aber Gedanken zu machen, wieviel Arbeit es für einen Winzer bedeutet, bis der gute Tropfen für uns in der Flasche ist.

Ich muss zugeben, auch ich habe mir bis zu unserer Wanderung mit Birgit durch die Weinberge über Briedel nicht viel Gedanken über die Arbeit eines Winzers gemacht. Mir war schon bewusst, dass Handarbeit und viel Pflege dahinter steht, aber wieviel Arbeit und wie Vorschriften einem Winzer das Leben schwer machen, DAS war mir so in diesem Ausmaß nicht bewusst. Bei unseren Ausflügen im Moseltal waren die Weinberge, und darunter waren sehr viele Steilhänge, auch extreme Steilhänge wie am Calmont (dem steilsten Weinanbaugebiet Europas) wunderschön anzusehen. Die roten und hellen Trauben hängen zum Teil noch an den Reben, an manchen Hängen waren die Winzer dabei zu lesen und für mich gehört dieses Bild der Weinlese auch mit zum Herbst. Denn zum einen liebe ich Weintrauben, rot oder hell, und am liebsten noch mit einem schönen Stück Bergkäse – und zum anderen sage ich nicht nein zu einem Glas Wein als Genuss zum Essen oder am Abend.

Birgit hat uns an diesem Nachmittag aber in die Welt und Arbeit eines Winzers ‚entführt‘. Ihr Lebensgefährte und sie betreiben in Briedel ein Weingut und Birgit setzt sich zudem in ihrem Projekt für die Ansiedlung historischer Weinreben an der Mosel ein. Hoch über Briedel haben wir die Ausblicke nach allen Seiten genossen – so weit das Auge reicht Weinberge ….

Wir sahen aber auch viele brachliegende Stücke zwischen den einzelnen Weinbergen, die wild bewachsen sind und an den oberen Hängen schon zu kleinen Wäldchen werden. Birgit erzählt uns, dass es zunehmend für manche Winzer ein großes Problem wird, den Weinbau weiter zu betreiben. Von ca. 30 Winzern am Ort wissen aktuell drei Winzer ganz sicher, dass sie die Arbeit weiter betreiben. Und auch die Hausfrau unserer Ferienwohnung erzählte uns, dass beide ihrer Kinder studieren, aber nichts was mit Weinbau zu tun hat, und Stand jetzt auch keine Ambitionen zeigen das Weingut zu übernehmen. Und da es für viele, oft ältere Winzer zunehmend ein Problem werde, die Steilhänge zu bewirtschaften, werden sie brach gelegt und verwildern. Auf meine Frage, warum sich dann Winzer nicht zusammentun und somit ihren Bestand vergrößern, meinte sie achselzuckend, verstehen warum sie das nicht tun, würde sie auch nicht, aber nicht immer sind sich die Winzer untereinander ‚grün‘. Hmmm … überall dasselbe. Warum kann man gemeinsam nicht mehr bewegen?

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Auf meine Frage, ob man dann denn nicht auf den Brachflächen den für die Region berühmten roten Weinbergpfirsich anpflanzen könne, meinte sie: theoretisch schon, (wie ein Winzer es auf dem Foto gemacht hat) aber es bedeutet eben auch wieder viel Arbeit mit den Bäumen, der Ernte und der Verarbeitung. Man muss wie in den Weinbergen auch dem Unkraut Einhalt gebieten – und man muss wieder mit dem Unverstand der Weinbergwanderer rechnen, die denken ‚was dein ist, ist auch mein‘. In dem Zuge sagt sie „Ich habe nichts dagegen, wenn sich ein Wanderer mal EINE Traube von den Reben holt um sie zu probieren. Aber selbst wenn man das hochsummiert kommt eine beachtliche Menge zusammen, die uns Winzer dann fehlt. Ich habe aber ein sehr großes Unverständnis mit den Menschen, die sich ganze Dolden von den Reben holen, eine probieren und den Rest dann zu Boden werfen!“ Fast zornig erlebe ich Birgit bei den Aussagen und ich kann es so gut nachfühlen wie es ihr dabei geht. Dieses Phänomen des Ernteklaus gibt es auch hier in meiner Heimat auf den Obstgrundstücken, wo Kiloweise Obst gestohlen wird. Ob diese Menschen das auch mit ihrem Eigentum haben wollten??!

Tiefen Respekt habe ich vor ihrer Arbeit, wenn ich ihre Steilhänge sehe, die sie bewirtschaften. Das wäre nichts für mich, ich bin nicht schwindelfrei, sprach ich meinen Gedanken laut aus. Oh, das wäre sie auch nicht, lacht Birgit, und es kostet sie an manchen Hängen auch Überwindung. Und so sagt sie „Es ist ja nicht nur die Ernte wo wir in die Steilhänge müssen. Dann ist es zwar ganz besonders schwierig, denn stell dir vor, du musst selbst Halt haben in dem steilen Hang (und wehe es ist nass), du musst die Trauben schneiden und du musst deine Kiste so stellen, dass dir die Trauben nicht den Hang hinunterkullern. In der Zeit von Januar bis April müssen wir schneiden, die Reben hochbinden – dann wieder die Trauben von den Blättern befreien, Unkraut jähten und und und.“ Und auf meinen ungläubigen Blick in Bezug der Ernte meint sie humorig „Ja, es ist schon ein mancher den Hang hinuntergerutscht oder hat seinen geschnittenen Trauben hinterhergeschaut. Solche Steilhänge sind nur für geübte, jeden kannst du nicht zur Lese lassen.“

Auf meine Frage, ob es denn nicht auch andere Möglichkeiten der Ernte gibt, erklärt sie: „In den Steilhängen nicht, das ist wirklich alles reine Handarbeit. Aber in nicht so steilen Lagen gibt es die Möglichkeit einen Vollernter einzusetzen. Aber wir erwägen diese Lösung nicht, denn – ein Vollernter wird nach Minuten bezahlt und er rüttelt und reißt die Trauben regelrecht von den Stielen ab. Da hast du keine Kontrolle mehr was in deinen Wein kommt. Der nimmt auch die fauligen Trauben mit, und auch wenn ein Käferchen oder Mücke an der Traube sitzt. Wir lesen alle Hänge von Hand, wir wollen wirklich reine und gute Qualität in unseren Weinen.“ Und erzählt uns in dem Zuge auch, dass sie für fünf ihrer Weine ein ‚Goldprädikat‘ und für zwei Weine Silber bekommen hat. Aber nicht nur wegen keiner Fleischbeilage, lacht sie. Es spielen auch die Öchslegrade und die Reife des Weins eine Rolle. Schaut, so sehen die Stöcke nach dem Einsatz eines Vollernters aus …. alle Stiele hängen noch.

Wir wandern weiter und mir fallen auf, dass die Weinreben unterschiedlich gepflanzt sind. Ich spreche Birgit darauf an. Üblicherweise werden die Reben in Reihen nach unten gepflanzt, mit Drähten an denen sie gezogen werden, verbunden. Diese Art der Pflanzung erschwert in Steillagen oder auch nicht so steilen die Lese, denn man muss immer auf seine Kiste mit den geschnittenen Trauben achten damit die nicht den Berg hinunterrutscht oder umkippt, denn man muss die Kiste ja immer mitziehen und manchmal bringt auch hier der berühmte Tropfen, sprich die Traubendolde, das Fass zum überlaufen wenn man nicht aufpasst. Bei nassem Boden ist das Ganze dann besonders prickelnd. Einfacher ist die Querreihenpflanzung im Hang, für Mensch und Kiste. Und dann gibt es noch die Einzelpflanzung, jede Rebe steht für sich.
Auf jedenfall geht bei der Lese jeder in einer eigenen Reihe, denn so führt sie aus „Jeder ist so versunken und konzentriert in seine Arbeit, ich merke, wenn ich mich mit der Schere zwicke, aber ist ein zweiter noch am Stock mit zugange merke ich nicht, wenn ich dem anderen in den Finger schneide (oder erst, wenn der schreit)“. Dies ist auch ein Grund, warum sie nur mit erfahrenen Helfern in die Lese gehen, denn sonst müsste sie den Blick immer auf den ‚Anlernling‘ haben.

Unsere Wanderung führte uns zum Martinslay, einem wunderschönen Aussichtspunkt über Briedel, die Mosel und die umliegenden Weinberge. Martinslay deshalb, weil die Briedeler Jugend früher dort oben an St. Martin das St.Martinsfeuer angezündet haben. Für Birgit einer ihrer liebsten Rückzugsorte – und ich kann sie da voll verstehen, auch ich blieb lange an dem herrlichen Flecken stehen.

Aber es half nichts, es galt von diesem herrlichen Blick Abschied nehmen – unsere Wanderung ging weiter. Und auf dem Rückweg habe ich die Arbeit im Hang und bei der Lese beobachten können, und mit Zustimmung des Winzers sie auch im Bild festhalten können.

Auf dem Rückweg wurde auch meine Frage beantwortet, die ich mir schon mehrfach gestellt hatte, wenn ich die kleinen Traktoren mit dem Trester (der Rückstand nach Pressen der Trauben) auf dem Anhänger habe fahren sehen. WAS passiert mit dem Trester? Der wird dann zur Düngung der Rebstöcke eingesetzt.

An dieser Stelle hat uns Birgit aber etwas so trauriges erzählt, was mich auch heute, wenn ich den Bericht schreibe noch fassungslos macht. Wie überall gibt es auch im Weinbau Gesetze, Verordnungen und Vorschreibungen .Ein Winzer muss seine Flächen alle melden und pro gemeldeter Fläche darf er dann ein entsprechendes Kontingent ernten. „2018 war ein Jahr der überreichen und sehr guten Ernte“ so erzählt sie uns „und es gibt hier am Ort eine alte Frau, 80 Jahre, die noch selbst in ihre Weinberge geht. Das ganze Jahr hat sie ihren Weinberg gepflegt, in ihm gearbeitet und als es dann an die reiche Ernte ging, schlugen die Verordnungen gnadenlos zu, die eben besagen, du darfst nicht mehr ernten. Und so musste die Frau einen Teil ihrer Ernte hängen lassen, verkommen lassen, durfte ihn nicht mehr ernten. Allenfalls um noch Marmelade zu kochen. Aber mach mal von einem ganzen Weinberg Marmelade? Das geht nicht.“
Ich hörte ihr wirklich fassungslos zu. Und Birgit sagte dann „Du musst ja nach deinem Ablauf die Trauben schneiden. Bei uns zuerst die roten und so weiter. Und je länger die Trauben stehen, desto süßer und besser werden sie. Wir hatten letztes Jahr in einem Hang eine Öchslezahl von 103. Ab 70 Öchsle gilt der Wein als gut und man kann ohne Bedenken ernten. Letztes Jahr waren da alle drüber, aber dann musst du genau die letzten Hänge stehen, und das sind dann oft die besten Trauben. Und traurig und fassungslos hätte sie die Frau gefragt ‚darfst du noch ernten?‘ Und was sagst du dann, wenn du selbst noch ernten darfst (weil Brachfläche auch dazu zählt oder unsere Projektflächen) und sie darf nicht mehr ernten?“ Puhh, ich wäre da auch fassungslos, aber die Verordnungen sind gnadenlos.

Und genauso unverständlich ist es mit der Düngung. Man sollte doch meinen, dass man den Naturabfall wieder komplett an den Weinberg zurückgeben darf. Nein, dem ist aber nicht so. Auch da wird genau berechnet wieviel Trester als Düngung in den Weinberg darf, sonst wäre der Boden überdüngt. Wirklich, ich konnte nur ungläubig den Kopf schütteln, und ich glaube, auch die Winzer verstehen diese Verordnungen und EU Gesetze nicht wirklich.

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Ich hätte Birgit noch stundenlang zuhören können. Aber mit immer mehr Informationen wurde mir auch klar, dass es als Winzer alles andere als leicht ist. Kein Wunder, dass es als junger Winzer gut überlegt sein muss, in dieses Geschäft einzusteigen. Und es verwundert mich jetzt auch nicht mehr, dass fast an jedem zweiten oder dritten Haus ein Schild hängt mit ‚Ferienwohnung/ Zimmer zu vermieten‘. Allein vom Wein können dort nur die wenigsten leben. Das Leben an der Mosel ist wahrlich nicht so einfach wie es für uns Touristen den Eindruck hat.

Der wirklich schöne Nachmittag klang noch mit einer Weinprobe mit ihr und Karl-Otto aus, von dem wir noch einige Informationen zu seinen mega leckeren Weinen erhielten.

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