Etwa 35 km südwestlich von Siena befindet sich mit der Abteikirche San Galgano (Abbazia di San Galgano) eine der berühmten Besucherattraktionen in der Toskana – die Kirche ohne Dach.

Unser erster Ausflugstag bei unserem Langzeiturlaub in der Toskana hat es gleich in sich. Schon bei der Tourenvorbereitung war klar, bei diesen Entfernungen müssen wir mehrere Ziele zusammenlegen. Außer es geht zu einer größeren Stadtbesichtigung. Nicht die km-Entfernung ist das  Problem, sondern die Zeit, die man für doch relativ wenige Kilometer braucht. Fast überall ist die Geschwindigkeit auf Landstraßen auf 50 oder 60 km/h begrenzt, oft geht es auch nur mit Tempo 30 vorwärts. Landschaftlich wunderschön ist die mittlere Toskana – hinter fast jeder Kurve zeigt sich eine atemberaubend schöne Landschaft. Aber meist geht es hier über Berg und Tal um an das gewünschte Ziel zu kommen.

Für eine Lebensmittel-Einkaufsfahrt waren wir schnell mal fast 30 Minuten (einfache Fahrt) auf der Straße, für läppische 20 km. Was wir am ersten Tag unserer fünf Wochen noch nicht ahnten – der Wettergott spielte verrückt,  die Wetter-App zeigte diese Kapriolen immer für ein paar Tage wirklich zuverlässig vorher. Ein Tag herrliches Wetter, ein, oder auch mal zwei Tage Regen. So ging das die ersten zweieinhalb Wochen. Echt, ich fand dann dieses Spiel irgendwann blöd. Aber mit der richtigen Einstellung (die wir uns gezwungenermaßen zulegen mussten, damit unsere Laune nicht in den Keller ging): zum einen gibt es keine falsche Kleidung, zum anderen tut ein Ruhetag nach einem langen Ausflugstag auch gut, machten wir das Beste draus.

So ist also der erste Ausflugstag gen Süden auch vollbepackt mit Besichtigungszielen. Ich nehm euch jetzt mit zu

meiner Besichtigung der Abtei San Galgano (Abbazia di San Galgano) in der Toskana

die mit einem dicken Ausrufezeichen „da müssen wir unbedingt hin“ auf dem Zettel stand. Ist sie doch bekannt als die Kirche ohne Dach. Ein recht großer Parkplatz empfing uns, was die Vermutung nahelegt, dass hier in der Hauptsaison doch einiges los sein musste. Fridolin konnte sich seinen Platz heute aber in großer Auswahl aussuchen. Ein gemütlicher Spaziergang führt zur ehemaligen Abteikirche. Und ergeben herrliche

Blicke auf die Abtei San Galgano

Beeindruckend ….

Wenn es schon zu Anfang mal wieder länger dauert – dann ist das den vielen

Blicke aufs Umland bei der Abtei San Galgano

geschuldet. Ja, erster Tag und so, könnte man jetzt denken. Ich verrate euch jetzt schon – es war auch nach fünf Wochen nicht besser 😉

Mit Blick auf diese beeindruckende Kirchenruine war klar, so schnell sind wir da nicht durch. Vielleicht noch eine Kaffeepause vorher?

Wer bei seinem Besuch den gleichen Gedanken hat, der wird in einem Restaurant mit einem herrlichen Außengarten fündig. Hach das tat gut, nach einer langen Fahrt und der Besichtigung der heißen Quellen bei Petriolo.

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So, jetzt aber! Schließlich stehen da nach der Abtei noch weitere Ziele auf dem Zettel.

Die Außenansicht der Abteikirche San Galgano

bietet viele Perspektiven. Wenn man bedenkt, dass die Fassade nicht in Gänze fertig gestellt worden ist, finde ich, sieht sie aber doch ganz gut aus. Ja, manchmal fängt man eine Arbeit an, und ….. wir kennen das ja bestimmt alle. Auch bedeutende Kirchen, wie z.B. die Basilika San Lorenzo in Florenz hat es nicht geschafft, ein vollkommenes Äußeres zu bekommen. Mir haben die Spitzbogenfenster zwischen Pfeiler gefallen – und Emma und ich haben uns mal kurz ausgetobt 😀

Bevor es zur Innenbesichtigung der Abtei geht, kommt erst einmal das „es war einmal“. Und das begann nicht hier unten im Merse-Tal, sondern auf der Anhöhe gleich neben der Abteikirche, auf dem Monte Siepi.

Ein bisschen Baugeschichte zur Abtei (Abbazia) San Galgano in der Toskana

Es geht ins Jahr 1148, als Galgano Guidotti in eine Adelsfamilie hineingeboren wurde. Wie es in diesen Kreisen üblich war, bekam er eine Ausbildung zum Ritter und hat sich nicht nur in den Kämpfen ausgetobt, sondern auch in ausschweifenden Festen. Missbrauch und Gewalt war an der Tagesordnung und eines Tages fing er an, dieses Leben zu überdenken. Damals wie heute, Rat bekommt man gefragt, aber auch ungefragt. ‚Er solle doch zu den Einsiedlern in die Maremma gehen‘. Hoch verehrt war in Galganos Familie der Erzengel Michael, der ihm, einer Legende zufolge, in einem Traum den Ort anzeigte, an dem er den Ausstieg aus seinem Leben beginnen solle. Nix südlich in der Maremma, sondern nicht weit von seinem Heimatdorf Chiusdino entfernt auf dem Monte Siepi soll er mit der Natur leben.

Unbedingt empfehlenswert ist der Weg hinauf zu seiner Einsiedelei, auf dem heute eine kleine Rotunde steht, die über seinem Grab erbaut worden ist. Das besondere und auch mystische in dieser kleinen Kirche ist das Schwert im Stein. Galgano hat zum Zeichen seines Glaubens sein Schwert in eine Felsspalte gerammt und erhielt damit ein Kreuz, ein einzigartiges Zeichen. Die Einsiedelei kann man kostenfrei besuchen.

Wie es mit Galgano weiterging, warum er heiliggesprochen wurde und was aus der Einsiedelei wurde, das alles könnt ihr in einem extra Bericht lesen. Es ist aber der Anfang und Grund für den Bau der Abteikirche unten im Tal.

Ein Abt leitete mittlerweile die kleine Einsiedelei auf dem Berg, die so langsam aus allen Nähten zu platzen drohte. Nach den Mönchen von Casmari gesellten sich auf Initiative des Stauferkaisers Heinrich VI. auch Mönche aus dem Zisterzienserorden um Bernhard von Clairvaux. Wenn ihr aus seinem Leben, der als 2. Gründer des Ordens gilt, mehr erfahren wollt, dann klickt HIER.  Eine Erweiterung ließ die Berglage nicht zu. Der Bischof von Volterra riet ihnen 1218 an, sich doch unten im Merse-Tal zu Fuß des Monte Siepi eine neue Bleibe aufzubauen.

Möglich wurde dieses Vorhaben, weil sich auch Adlige unter den Mönchen befanden und die Orden durch geschickte Wirtschaft Geld hatten. Nicht außer Acht lassen darf man, dass einige Mönche einen so großen Wissensstand hatten, dass sie auch für die Sinesische Republik mit Positionen betraut waren. Einer aus der Bruderschaft wurde sogar beauftragt, das Wasser der Merse nutzbar zu machen. Die Folge waren Wassermühlen entlang des Flusses bis Siena. Man konnte also so richtig groß ans Werk gehen und mit dem Bau der neuen großen Abtei beginnen. Fünf Jahre nach Baubeginn 1218 gab es bereits die Kirche, ein Krankenhaus und kurze Zeit später auch die Zellen für die Mönche.

Landschenkungen und Vermächtnisse taten ihr übriges, den Bau voranzubringen. Und nicht zu vergessen ist die Unterstützung von den Stauferkaisern Heinrich VI. und später Friedrich II. Vielleicht habt ihr sie auf meinem Blog schon entdeckt – meine Spuren der Staufer. Die kommen nicht von ungefähr, denn ich lebe nur wenige Kilometer von der Stammburg der Staufer, dem Hohenstaufen, entfernt und wurde in der ältesten Stauferstadt Schwäbisch Gmünd geboren. Nachdem Barbarossa die Macht im Schwabenländle, Deutschland und Oberitalien nicht mehr ausreichte, dehnte er sein Machtzentrum immer weiter in den Süden Italiens aus. Für mich Grund, bei unserer Toskanareise die Stauferspuren zu suchen und besichtigen. So winkten die Stauferkaiser sämtliche Privilegien der Mönche durch, fügten sogar noch weitere, wie z.B. das Münzrecht dazu, und Papst Innozenz III. befreite sie von Abgaben.

Marketing und Aufschwung im Mittelalter – die wussten wie es ging. Mitte des 13. Jahrhunderts war das Kloster die mächtigste Abtei in der Toskana. 1288 konnte die Abtei geweiht werden. Dieses Kloster blieb auch in Siena nicht ohne Beachtung, es wurden Beziehungen geknüpft, die man mit der Besetzung eines Mönches zum Chef der Schatzkammer der Republik Siena festigte. Der Bau der berühmten Kanzel im Dom von Siena kam auf Verhandlungen eines Mönches mit dem Künstler Pisano zustande.

Tja, es hätte doch so schön weitergehen können, wären die Ereignisse im 14. Jahrhundert nicht gekommen. Und an diesen war wahrlich nicht eine Misswirtschaft der Mönche schuld. Erst kam 1328 eine Hungersnot, dann 1348 die Pest – die Reihen der Mönche wurde ausgedünnt, und mit dem ein Stillstand im Kloster. Als wäre dies nicht genug, zogen ab Mitte des Jahrhunderts mehrfach Söldner durchs Gebiet und plünderten was nicht sicher war. Der Anfang vom Untergang des Klosterbetriebs, denn Ende des 14. Jahrhunderts, sollen gerade mal noch acht Mönche in der Abtei gewesen sein. Als es auch im 15. Jahrhundert nicht besser wurde, zogen die verbliebenen Mönche nach Siena und gaben das Kloster auf.

Naja, könnte doch ein neuer Orden dort hinziehen? Könnte, aber es war ja immer noch im Besitz der Zisterzienzer. Als sich dann noch Siena und der Vatikan einen Streit lieferten und 1503 die Abtei einem quasi „Agenten“ zur Verwaltung des Vermögens übertragen wurde, ging es völlig bergab. Der wirtschaftete sooo schlecht, dass er sogar die Bleiabdeckung des Kirchendaches entfernen ließ und zu Geld machte, mal abgesehen von vielen wertvollen Gegenständen. Der kommt in meine Schublade „Stinkstiefel“, die es mittlerweile für einige Regenten gibt, denen ich in der Historie zu meinen Berichten begegnet bin.

Es ist überliefert, dass es 1600 nur noch einen Mönch in der Abtei gab, die Glasfenster zerstört waren und mehr und mehr der Verfall der einst so prachtvollen Abtei sichtbar war. Sämtliche Versuche einen neuen Orden dort anzusiedeln scheiterten. Da halfen auch so ein paar Flickarbeiten nicht, keiner wollte nach San Galgano. Den letzten Todesstoß für die Abtei gab es dann 1786 mit dem Einsturz des Glockenturms nach einem Blitzeinschlag – genau in den zentralen Teil der Kirche. Das war das endgültige Aus, die Kirche wurde entweiht und aufgegeben. Das Klostergelände erhielt eine neue Nutzung als Bauernhof.

Dass man heute die Kirche ohne Dach besichtigen kann, ist einer Restaurierung 1926 zu verdanken, die Überreste wieder öffentlich zu machen.

So, genug geschrieben,

die Innenbesichtigung der Abtei von San Galgano

geht los. Und die beginnt in einem Vorraum zum Kapitelsaal, die als Sakristei diente. Natürlich restauriert, denn viel übrig war nach dem Verfall nicht mehr.

Für Besucher, die nicht weiter in die Kirche ohne Dach vordringen möchten, ist hier Schluss. Ansonsten geht es für 4,50 € weiter in den

Kapitelsaal der Abtei von San Galgano

dem wichtigsten Raum in einem Kloster. Hä, der ist doch aber viel schlichter als der Raum davor? Ob der früher auch so schlicht war, oder einfach nach dem Verfall einfach gehalten wurde – keine Ahnung. Immerhin kenne ich aus anderen Ordenseinrichtungen den Kapitelsaal schon ein bisschen prachtvoller. Ist er doch DER Raum, an dem sich die Ordensgemeinschaft mehrmals am Tag trifft. Es findet hier die Versammlung der Mönche statt, wenn sie in Bezug auf ihr Kloster Entscheidungen treffen müssen. Die Wahl eines Abtes wird hier abgehalten, genauso wie ein Abendgebet nach getaner Arbeit gesprochen wurde.

Kapitelsaal deshalb, weil jeden Tag ein Kapitel der Regeln gelesen wurden. Demokratie innerhalb einer Ordensgemeinschaft, was ja im ‚System‘ der Kirche nicht überall zu finden war. Ein Leitspruch im Ordensleben der Mönche von San Galgano: „Sprich wenig, höre viel, und achte auf das was du tust.“ Hmm … könnte doch überall gelten, dieser Leitspruch, oder?

Durch das Tor ging es früher in den

Kreuzgang der Abtei San Galgano (Abbazia di San Galgano)

Von dem ist allerdings heute nicht mehr viel zu sehen. Ein kleiner nachrekonstruierter Rest zeigt, was einmal war.

Eine kleine

Gartenanlage bei der Abtei San Galgano

hat einer Mutter Gottes einen wunderschönen Platz gegeben. Wie sehr sie verehrt wird, zeigt sich an den vielen Rosenkränzen.

Der Innenraum der Abteikirche San Galgano in der Toskana

Jetzt kommt dieser Wow-Moment, den viele als mystisch beschreiben. Und ganz ehrlich, als ich so mitten in der 69 Meter langen Kirche stand und gen Himmel schaute, erzeugte das auch bei mir eine kleine Gänsehaut.

Lasst einfach die Fotos erstmal auf euch wirken.
Der damaligen Zeit entsprechend, hab ich sie auch in schwarz/weiß aufgenommen. Und da wirken sie gleich nochmal anders.

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Kein Wunder bei diesem Anblick, dass die Abteikirche ohne Dach zu einem der eindrucksvollsten Denkmäler in der Toskana zählt, und unzählige Besucher an- und in ihren Bann zieht. 

Die Form der Kirche hat das lateinische Kreuz und geht im Hauptschiff 21 Meter in die Breite. Daran angeschlossen sind die beiden

Seitenschiffe in der Abteikirche San Galgano

rechts und Links. Wie das Mittelschiff haben auch sie keinen Boden aus Stein. Als wir im April dort waren, waren dort die ersten Gräschen zu sehen, die sich im Schotterboden breit machten. Euch jetzt eine architektonische Abhandlung zu verfassen, erspare ich mir (und euch) 😉

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Nicht ersparen kann ich euch, dass meine ‚Emma‘ und ich uns bei den Seitenschiffen so richtig ausgetobt haben. Ihr wisst ja, ihr seid auf einem Reise- UND Fotoblog. 😀

Aber da gab es auch wirklich zu viele schöne Blickwinkel, natürlich dann auch wieder in schwarz-weiß. Und dann der Lichteinfall ….

Heute nicht mehr sichtbar, ging vom Obergeschoss, und damit von den Schlafsälen der Mönche, direkt eine Treppe nach unten in das rechte Seitenschiff.

Auf der östlichen Seite im Querschiff waren einst vier Kapellen angeordnet. Zum Glück sind hier teilweise noch die Kreuzgewölbe erhalten geblieben. Ansonsten hat der Einsturz des 36 Meter hohen Glockenturms nach einem Blitzeinschlag ganze Arbeit geliefert – und für das Umland einen kostenlosen Steinbruch.

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Nahezu in jeder Kirche bekommen die

Kapitelle in der Abteikirche San Galgano

einen Blick von mir. Zum Glück wurden diese nicht vom Einsturz betroffen. Jetzt bekommt ihr eine kleine Aufgabe, falls ihr euch die Kirche ohne Dach irgendwann vor Ort anschauen wollt. Ich habe es leider übersehen – das Gesicht des Meisters der Steinmetzarbeiten, der auf der linken Seite an einer Säule seinen Ehrenplatz gefunden hat. Vielleicht seht ihr ihn.

Die letzten Blicke durch die Kirchenruine, bevor wir uns wieder auf den Weg nach draußen machen ….

Wir haben die Kirchenanlage nicht auf gleichem Weg wie wir gekommen sind verlassen, sondern haben den Ausgang über das Osttor gewählt.

Und das war auch gut so, denn so ergaben sich noch tolle 

Blicke auf die Abteikirche San Galgano von Osten

mit der Apsis.

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Im Sommer finden immer wieder Konzerte und Veranstaltungen in der Kirchenruine statt. Was für ein Feeling am Abend.
Unser Fazit: Selbst von der nördlichen Toskana lohnt sich dieser Weg nach San Galgano, der Kirche ohne Dach, südlich von Siena.

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