Hart ist die Arbeit eines Winzers bis der edle Traubensaft in den Flaschen ist und in den Verkauf kann.
Weinproben sind an der Mosel ja gang und gäbe, aber vermutlich nicht jeder darf soooo hinter die Kulissen eines Winzerbetriebs schauen wie wir nach unserer Weinbergwanderung mit Birgit und den vielen Infos, die wir dort über den Weinberg erhalten haben. Wir hatten das wirklich große Vergnügen beim Besuch im Weinkeller noch weitere Informationen zu erfahren, die mir in diesem Umfang nicht bekannt waren. Und wieder ist mir bewusst geworden, wie wenig Gedanken man sich vermutlich macht, wenn man eine Flasche Wein kauft und sich dann noch möglicherweise über den Preis ärgert.
Bewusst bin ich nach diesem Besuch im Weinkeller einmal durch die Weinregale eines Supermarkts und Discounters gegangen und war wieder einmal überrascht zu welch günstigen Preisen Weine überhaupt, und insbesondere der Moselwein im Handel ist. Und abermals habe ich mir gedacht, wieviel Winzer leisten müssen um den Wein in die Flasche zu bekommen – und welchen Preis erhalten sie dafür. (Ja, mir ist an dieser Stelle durchaus bewusst, dass dies auf viele andere Zweige auch zutrifft – Obst, Gemüse, Milchwirtschaft, Landwirtschaft usw.)
Bei der Weinprobe hat uns Karl-Otto Binninger – ein Winzer mit Leidenschaft für seine Arbeit und der das langjährige Familienunternehmen mit seiner Lebensgefährtin Birgit Ailbout führt, die sich die Anpflanzung von historischen Reben zu ihrem Herzenswerk gemacht hat – erläutert wie die Weine bevor sie in den Verkauf kommen eingestuft werden.
Aber der Reihe nach – wenn die Trauben gelesen sind, und das Weingut legt Wert darauf nicht mit dem Vollernter zu ernten, sondern alles in Handarbeit zu machen, dann werden diese in diesem großen Faß schonend gekeltert. Birgit erzählt uns, dass dieser Vorgang gut über zwei Stunden dauert, da es nicht Sinn dieses Vorgangs ist, feste zu pressen, denn dann werden auch die Stiele mitgepresst und der Wein bekommt einen anderen Beigeschmack. Nach diesem Arbeitsschritt kommt der Trester in den Anhänger, um dann wieder als Dünger an den Weinreben zu landen.
Der frisch gepresste Traubensaft wird per Schlauchsystem in eines der Kunststofffässer verbracht. Hier darf der Saft einige Tage ruhen und ‚arbeiten‘ und sich von den Schwebestoffen befreien, d.h. er wird geklärt. Erst nach diesem Vorgang kommt der Saft in die großen Tanks und darf unter Zusatz von Hefe zu Wein gären.
Birgit erzählt lachend, dass es in guten Jahren auch schonmal knapp werden kann mit den Fässern, denn man muss sich als Winzer vor befüllen der jeweiligen Fässer schon im Klaren sein welcher Wein es einmal werden soll. Dementsprechend muss der Gärprozess gestoppt werden und der Wein muss dann auch entsprechend gekühlt werden. Unterbricht man den Gärprozess früher, wird es ein süßer Wein ……. auweija, bei den vielen vielen Informationen …. wirklich eine Wissenschaft für sich.
Und Karl-Otto macht meine Verwirrung dann noch komplett. „Du darfst da nicht irgendwas auf das Etikett schreiben“ erzählt er „das wird genau festgelegt. Man reicht die Weine ein und nach einem Bewertungssystem erhält jeder Wein eine Punktzahl. Und entsprechend dieser kann dieser zum Beispiel den Zusatz ‚Hochgewächs‘ erhalten, oder auch noch das Anbaugebiet. Je höher die Punktezahl, je mehr Infos auf der Flasche.“ Puhhh … und damit noch nicht genug, man kann dann auch Weine zur Prämierung einreichen. In Trier findet die Prämierung statt. Und Birgit erzählt stolz, dass sie letztes Jahr dreimal Gold und zweimal Silber in der Prämierung bekommen haben.
Manche Winzer füllen ihre Weine dann oft schon ein paar Monate nach der Lese in Flaschen ab. Nicht so das Weingut Binninger. Birgit erklärt uns, dass es für den Wein besser ist, wenn er viele Monate im Faß reifen kann, und es dann durchaus auch kein Fehler ist, die erworbenen Flaschen noch weiter zu lagern. Und so werden bei ihnen die Flaschen erst vor der nächsten Lese abgefüllt. Auch da passiert alles wieder viel in Handarbeit. ‚Nackig‘ und ohne Etikett werden sie in großen Kisten bis zum nächsten Arbeitsschritt gelagert. Aber davor kommt erstmal noch die neue Weinernte.
Nach der Lese ist die Arbeit dann aber noch lange nicht vorbei, dann geht der ‚Stress‘ erst richtig los. Denn der Wein vom Vorjahr will ja auch verkauft werden. Und dazu brauchen die ’nackigen‘ Flaschen jetzt ein Etikett, das zwar eine Maschine klebt, aber die Flasche muss in die Hand genommen werden. Vorher werden sie gereinigt – auch wieder ein Arbeitsschritt. Und anschließend wieder in die Kisten gelegt bis jemand ruft ‚Ich kauf dich‘.
Und dann werden die Flaschen entsprechend den Bestellungen in Kartons verpackt – wieder wird jede einzelne Flasche in die Hand genommen. Wir sagen im Schwäbischen im O-Ton einer Bewunderung oder Begeisterung „Ach du heiligs Blechle“ – und genau so dachte ich bei Birgits Erzählungen. Da ist sie ja mit jeder Flasche wirklich auf du und du, könnte ihr fast noch einen Namen geben.
In den Wintermonaten geht es dann jedes Wochenende auf Tour um die Weine auszuliefern. Das auch noch! Und Birgit sagt „Das ist uns sehr wichtig. Wir könnten die Weine auch per Post oder Spedition verschicken. Aber das passt nicht zu uns. Wir möchten den Kontakt mit unseren, zum Teil langjährigen Kunden. Ein kleines Schwätzchen – und dann geht es weiter. Der Sprinter ist vollbepackt.“
Ich hab den größten Respekt vor ihr und Karl-Otto ob dieser immensen Arbeit und ich hab sie gefragt, ob sie das denn alles noch mit Freude macht? „Ohjaaaa!“ kam wie aus der Pistole geschossen und sie strahlt in ihren Arbeitshosen und Gummistiefeln. „An manchen Tagen kann man auch mal schimpfen, weil nichts rund läuft, aber das ist schnell wieder vergessen.“
Selbsterklärend dass wir nicht ohne Moselweine vom Weingut Binninger heimgefahren sind. Und da traf mich dann wirklich der Überraschungsschuss – eher mit Entsetzen. Sie verkaufen diese excellenten Weine im Schnitt zwischen 4 und 6 €. Mit dieser Arbeit im Hintergrund! Ganz ehrlich – liebe Leser dieses Blogberichts, will man da wirklich noch einen noch günstigeren Wein aus dem Supermarktregal kaufen? Oder doch direkt beim Erzeuger, der ehrlichen und reinen Gewissens sagen kann wo seine Trauben herkommen, der Schritt für Schritt seinen Wein bearbeitet und mit Leidenschaft und Herzblut Winzer ist. Und wenn ihr der gleichen Meinung seid wie ich, und ich euch Lust auf die Weine gemacht habe und ihr bestellt – dann sagt bitte ganz liebe Grüße von Inge & Olaf.
Und wir, wir kommen ganz sicher nächstes Jahr wieder nach Briedel um direkt von euch unseren Wein zu kaufen.