Das Leben und Arbeiten an der Mosel ist größtenteils ganz anders, als wir Besucher es uns vorstellen können.
In den 14 Tagen die wir hier an diesem herrlichen Flecken Mosel verbracht haben, dachte ich so das eine oder andere Mal – hier leben, das müsste schön sein. Verwundert waren wir bei unseren Besuchen in den kleinen Weinörtchen, dass wir an so vielen Häusern Schilder „Zu Verkaufen“ hängen sehen. Und noch mehr, als wir rein zufällig bei einem Makler im Schaufenster die Preise diverser Objekte gelesen haben. Wow, war mein erster Gedanke.
Aber so Wow ist das alles gar nicht. Wir hatten die Freude an einem unserer letzten Tage mit Birgit, einer ausgebildeten Naturerlebnisbegleiterin, eine Weinbergwanderung in Briedel zu machen. Und dabei erfuhren wir nicht nur sehr viel Interessantes zum Thema Weinanbau und Winzer an der Mosel zu sein, sondern auch über das Leben an der Mosel.
Da ist zum Einen das Leben mit dem Fluss und dem Hochwasser. In allen Örtchen die wir besucht haben, und die direkt an der Mosel liegen – langgestreckt und eng bebaut, da nach ‚hinten‘ oft nicht viel Platz zum Ausdehnen ist – sahen wir die Hochwassermarken.
Birgit erzählte uns von dem letzten, sehr schweren Hochwasser an der Mosel: „Das Wasser stand bereits weit über dem ersten Stock.“ Und dabei angemerkt, liegt dieses Haus nicht direkt an der Uferstraße, sondern in einer Seitenstraße, an der der Ort bereits höher liegt.
Nachgefragt, wie sie das denn mit dem Keller und den unteren Geschossen machen, meinte sie: „Man beobachtet die Mosel, und wenn der Pegel in Trier eine entsprechende Höhe hat, dann beginnt man vorsorglich schon damit, den Keller und das Erdgeschoss auszuräumen. Fahrzeuge, Traktoren etc. werden in die höheren Gebiete im Ort verbracht. Der Rest wird nach oben geräumt, oder zu Freunden gebracht die nicht gefährdet sind. Jedes Mal aufs Neue. Man deckt sich mit Lebensmitteln ein und zieht sich dann in die oberen Stockwerke zurück (so man sie denn hat). Keiner verlässt sein Haus, man harrt aus. Die Kinder wurden aber dann beim letzten schweren Hochwasser über das Fenster im 1. Stockwerk evakuiert.“
Und auch sie selber musste damals bei diesem Hochwasser dann schweren Herzens das Haus verlassen. Sie war hochschwanger und nur wenige Tage nach dem Höhepunkt des Hochwassers kam das Baby zur Welt.
Etwas traurig hat sie uns erzählt, dass nachdem das Hochwasser den Scheitel erreicht hat, kein Mensch mehr in der Welt nach ihnen schaut. Dabei steht dann noch das Wasser in den Häusern oft bis zu einer Woche danach. Langsam müsse es aus den Häusern gepumpt werden, da der Schlamm sofort dann zu einer harten Betonschicht trocknet. Immer und immer wieder leben sie mit dieser Angst, und keine Versicherung trägt die Schäden, die das Moselwasser verursacht.
Wir sahen viele Häuser direkt an der Uferstraße, die übrigens bei Hochwasser mit Hochwassermauern geschützt werden, die bis zum 1. Stock komplett verklinkert sind. Und, so erzählt sie optimistisch, wenn das Wasser nicht sehr lange in den Häusern steht, halten sich die Schäden immer noch in Grenzen.
Ich kann es durchaus nachvollziehen, welche Angst und welche Schäden ein Hochwasser anrichten kann. Vor fast dreißig Jahren wurde mein Heimatort von einem schweren Hochwasser heimgesucht und meine Ex-Schwiegereltern waren direkt betroffen. Auch 2017 bekam mein Wohnort und meine Geburtsstadt Schwäbisch Gmünd das letzte schwere Hochwasser ab.
Also, so war jetzt noch mein Gedanke – wenn Mosel, dann mit Sicherheit nicht in gefährdeten Lagen.
Aber, das ist ja nicht das einzige, welches das Leben an der Mosel erschwert. Da ist dann noch die Sache mit der Infrastruktur und den Arbeitsplätzen. Immer mehr Menschen wandern ab, weil genau dieser Punkt das Leben an der Mosel nicht gerade einfach macht. So erzählt uns Birgit, dass derzeit allein in Briedel, diesem kleinen Örtchen, ca. 30 Häuser zum Verkauf stehen. Ja, richtig gelesen – 30 Häuser!!
Kein Mensch will an die Mosel ziehen, oder nur ganz hartgesottene 🙂 Denn es ist sehr schwierig hier einen Job zu finden. Große Industrie gibt es hier nicht. Es ist uns ja schon aufgefallen, dass es in den kleineren Örtchen gerademal einen Bäcker gibt und dann ist Schluss. In Zell, Cochem oder Traben-Trarbach ist das schon wieder anders. Da finden sich dann auch mal eine Metzgerei – aber einen Supermarkt? Fehlanzeige!
Dazu fährt man hier auf den Zeller Hamm, auf dem ein großes Einkaufscenter angesiedelt ist und man von Aldi, Lidl, Kik, Post über Globus alle Geschäfte findet, die die Menschheit mit dem Notwendigen versorgen. Auch sind auf dem Zeller Hamm das Klinikum, sowie viele kleine Handwerksbetriebe angesiedelt. Aber eben auch nur mit einem begrenzten Angebot an Arbeitsplätzen. Kindergarten gibt es hier noch einen am Ort, aber zur Schule müssen die Kinder in die umliegenden Orte. Und selbst die Kirche hat ein Problem – über zwanzig Ortschaften teilen sich einen Pfarrer!
Ja, jetzt könnte man denken – die Mosel lebt doch vom Weinanbau. Tja, könnte man, aber damit kommt das nächste Problem hoch, erzählt sie uns und zeigt traurig auf die vielen vielen Brachflächen in den Weinbergen, die verwildern. Ausführlich könnt ihr zu diesem Thema in diesem Blogbericht „Weinbau an der Mosel“ lesen.
Von gut 30 Winzer am Ort, die meisten betreiben ihren Weinbau im Nebenerwerb, wissen aktuell drei, dass sie ganz sicher mit dem Weinanbau weitermachen. Wahnsinn!! Wirklich vom Wein leben können nur die ganz großen Betriebe, von denen es nur wenige hier im Moseltal gibt.
Gefühlt fast an jedem zweiten Haus (in so gut wie allen Moselörtchen) weisen Schilder darauf „Ferienwohnung oder Fremdenzimmer zu vermieten“. Mir drängt sich dabei die Frage auf, kommen wirklich soooo viele Touristen und Übernachtungsgäste, dass man davon tatsächlich leben kann? Bei unserem Aufenthalt, hier sind wir mitten in der Weinlese, für mich eine schönere Zeit als im Hochsommer, sehe ich viele Unterkünfte frei. Ich liebe es, wenn die Trauben an den Reben hängen, wenn der Herbst das Laub färbt und wenn sich nicht mehr Touristenströme durch die kleinen Örtchen schieben. Schon aus der Sicht als Hobbyfotograf 🙂 ihr wisst ja, ich mag kein schmückendes Beiwerk, sprich Menschen, auf meinen Fotos.
Auffallend sind die vielen Campingplätze und reinen Wohnmobilstellplätze entlang dem Moseltal. Als (früher) leidenschaftliche Camperin fällt mir das natürlich sofort auf, auch, dass diese Plätze sehr sehr gut besucht sind für diese Jahreszeit. Tja, aber für die Vermieter von Zimmern und Ferienwohnungen kein Klientel.
Ein absolutes Plus (zumindest für unsere 14 Tage hier) bekommt das Moseltal fürs Wetter. Laut Wetterbericht hätten wir in den 14 Tagen ohne Regenschirm nie die Wohnung verlassen dürfen, das Wetter war in weiten Teilen Deutschlands wirklich nass, windig und nicht wirklich prickelnd. Nicht so hier an der Mosel. Was Nachts mit dem Wetter ist, interessiert mich nicht, da kann es regnen so viel wie es will, was es dann auch zeitweise tat. Aber pünktlich zum Tagesstart war es mit dem Regen – bis auf zwei Tage leichtes Geniesel – vorbei. Nur zweimal haben wir tatsächlich vom Regenschirm Gebrauch gemacht, ansonsten haben wir uns auch oft über die Sonne gefreut.
Ja, aber um zu meinen Eingangsgedanken ‚Leben an der Mosel‘ zurück zu kommen – reicht Wetter allein aus? Wir sind zum Glück nicht abhängig einen Arbeitsplatz zu finden, mein Mann ist selbstständiger Webdesigner, sein Arbeitsplatz reist immer mit (so auch in diesen 14 Tagen, denn schließlich warten seine Kunden auf seine Arbeit, und die stehen ihm auch im Urlaub an erster Stelle). Und da mich das Jahr 2019 gesundheitlich sehr gebeutelt hat, bewege ich mich auf meinen Vorruhestand zu. Das wäre also auch nicht das Problem. Größere Probleme hätte mein Mann in der Ausübung seines Jobs, denn ständiger Netzempfang hier an der Mosel? Pustekuchen! So ein übers andere Mal hat er wirklich geschwitzt, keine Mail kam an, keine WhatsApp und der Internetempfang in der Wohnung lief auch nicht immer ganz rund. Als wir Birgit davon erzählt haben, hat sie lachend gemeint, dass nicht jedes Handynetz Moseltauglich ist. Die Gegend wäre also die perfekte Ecke für gestresste Menschen die eine radikale Auszeit brauchen – aber für uns?
Ja, aber DIESE Immobilienpreise? Ein ca. 100 qm großes Haus in dem schnuggeligen Weinort St. Aldegund für gerademal knapp 80.000 €!! Und das war nicht das einzige Objekt, das uns ungläubig staunen ließ. Haben die sich verschrieben? Ein Bauplatz, der qm für 53 €? (Bei uns legt man dafür satte knapp 200 € hin). Birgit hat uns da lachend auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Ganz viele Objekte sind denkmalgeschützt, renovieren verschlingt Unsummen. Und im Wiederverkauf? Kein Mensch, oder vielleicht nur hartgesottene ziehen freiwillig an die Mosel, wenn die Einheimischen verkaufen und wegziehen.
Sehr nachdenklich haben mich Birgits Erzählungen gestimmt – Leben an der Mosel ist nicht so einfach wie wir es in zwei Wochen Urlaub von der Sonnenseite erlebt haben. Fazit: Wir kommen sehr gerne wieder zurück an die Mosel – als Touristen.
Danke für diese sehr wertvollen Impressionen. Ich trage mich nämlich mit dem Gedanken, auf meine alten Tage an die Mosel zu ziehen. Weiterhin alles Gute. Marita
Sehr gerne! Oh, diese Gedanken kann ich gut nachvollziehen. Auch bei uns kamen sie kurzfristig auf. Ich denke aber, es kommt immer darauf an, wohin an die Mosel und ob man noch berufstätig ist oder nicht. Ebenso alles Liebe, Inge
Ja auch von mir vielen Dank. Mir ging es genauso, ich denke an die romantische Seite. Wir haben uns ein Haus in Zell angeschaut, 50 Meter zur Mosel. Viele Häuser stehen leer. Meine Sorge ist auch ein wenig, dass man vielleicht von den Einheimischen nicht angenommen wird. Es ist ja ohnehin nich einfach, wenn man an einen fremden Ort kommt und in Trier bin ich nicht wirklich warm geworden. Hängt vielleicht auch mit meiner Tätigkeit zusammen. Bin freischaffend tätig. Und ich liebe es, mit Freunden zusammen zu sein. Es dauert, welche zu finden.
Liebe Claudia, ja, es ist tatsächlich nicht so einfach mit einem Ortswechsel. Mein Träumerle in mir möchte da an so vielen Orten leben 🙂 und kommt doch (noch) immer wieder ins Schwabenland zurück. Ich denke, dieses ‚angenommen‘ werden liegt auch viel an einem selber. Wie offen man ist, auf andere zugeht, sich in Vereinen integrieren möchte etc.
Wir haben uns mit ‚woanders leben‘ inzwischen arrangiert. Waren im Oktober für vier Wochen in Prag (wo ich noch länger leben könnte). Damit kann sich mein Träumerle aktuell zufrieden geben – es gibt jetzt vermehrt Langzeiturlaube 🙂 Vielleicht findest du auch den für dich passenden Weg? Liebe Grüße, Inge